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Geht ohne Auto und Paketdienst nix mehr?

Eine Herausforderung durch den Klimawandel ist die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs. Corona hat das Problem erkennbar verschärft. Paketdienste und Autos haben Konjunktur. Das gilt auch für die südöstlich an Berlin angrenzende Gerhart-Hauptmann-Stadt Erkner. Dort hat das Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung seinen Standort, das direkt vor der Haustür eine Untersuchung zur Mobilitäts- und Logistikwende im suburbanen Raum gestartet hat.

Überdurchschnittlich hoher privater Fahrzeugbestand in Erkner

Wo liegen zurzeit die Herausforderungen und welche notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen hin zu mehr Nachhaltigkeit im Bereich Verkehr und Logistik sind für Politik und Planung im suburbanen Raum von Bedeutung? Das war die Fragestellung für die Forscher Ralph Richter und Paul Witte. Ergebnis ist eine Studie mit dem Titel „Ohne Auto geht nix? Eine Untersuchung zur Mobilitäts- und Logistikwende im suburbanen Raum“. Sie basiert auf repräsentativen Haushaltsbefragungen, auf Experteninterviews und auf einem Vergleich mit dem Mierendorff-Kiez in Berlin-Charlottenburg.

„Das Verkehrs- und Logistikverhalten in Erkner ist sehr stark von Automobilität geprägt“, sagt der Soziologe Ralph Richter: „Auch konnten wir hier eine intensive Haustürzustellung von Paketen beobachten.“ Viele Wege würden in Erkner mit dem privaten Auto zurückgelegt. Dagegen nutzten die Erkneraner umweltfreundliche Alternativen wie Bus und Bahn, Fahrrad- und Fußverkehr deutlich weniger als zum Beispiel die Charlottenburger in Berlin. Im deutschlandweiten Vergleich, so Richter, schneide Erkner beim Anteil umweltfreundlicher Verkehrsmittel zwar besser ab. Doch ein überdurchschnittlicher privater Fahrzeugbestand verweise auf die hohe Bedeutung der Automobilität.

Paketdienste in Erkner ökologisch innvoller

Daran hätten vor allem zwei Gruppen einen wesentlichen Anteil: Familien mit Kindern und Ältere aus der Generation der Baby-Boomer und der 68er. Für eine zeiteffiziente Lebensführung gelte gerade jungen Familien die Nutzung des Autos als unerlässlich. Die Älteren wiederum würden das eigene Auto als Garant mobiler Unabhängigkeit und als Ausdruck des erarbeiteten Wohlstands schätzen.

Paketdienste würden vor allem in Ein- und Zweifamilienhausgebieten stark in Anspruch genommen. „Interessanterweise ist die Haustürzustellung in Erkner aber ökologisch sinnvoller als in Berlin-Charlottenburg“, erklärt Richter. In Erkner ließe sich nämlich durch Haustürzustellungen eine Vielzahl von Abholfahrten mit dem PKW vermeiden. Rezeptartige Ansätze aus Berlin für eine nachhaltige Stadtlogistik, so ein Fazit der Studie, könne man deshalb nicht einfach auf suburban gelegene Kommunen wie Erkner übertragen.

Doppelt so viele Skeptiker wie in Berlin-Charlottenburg

Grundsätzlich seien die Voraussetzungen für einen Wandel zu nachhaltigen Alternativen in suburbanen Untersuchungsgebieten vergleichsweise schlecht. Am Beispiel von Lastenrädern als Alternative zum Auto und anbieteroffenen Paketstationen als Ersatz für die Haustürzustellung ermittelten die Forscher des Leibniz-Instituts für Erkner eine unterdurchschnittliche soziale Akzeptanz und Nutzungsbereitschaft. „Der Anteil der Skeptiker ist in Erkner doppelt so hoch wie im urbanen Vergleichsgebiet Berlin-Charlottenburg“, stellt Ralph Richter fest. Einstellungen zum Umweltschutz und zur Verkehrswende würden in Erkner vergleichsweise stark zurückfallen.

Im Verändern eingespielter Verkehrs- und Logistikpraktiken in weniger verdichteten Räumen wie Erkner sieht Richter für die Zukunft eine Herkulesaufgabe. Wichtig sei es, in Alternativen wie sichere Radwege, bessere Abstellmöglichkeiten für Räder und regelmäßigen Busverkehr zu investieren. Die Attraktivität für den Autoverkehr müsse man verringern und auf einen Wandel „in den Köpfen“ hinwirken.

Soziale Anerkennung als gesellschaftliche Herkulesaufgabe

Oft fehle es schon an Vorstellungskraft darüber, dass Wege und Besorgungen ebenso gut mit dem Fahrrad oder mit dem Lastenrad erledigt werden könnten. Hier könnten Vorbilder und Persönlichkeiten in Richtung mobiler Nachhaltigkeit unterstützen. Vor allem sei die soziale Anerkennung durch politische und gesellschaftliche Entscheidungsträger und durch das direkte Umfeld vor Ort entscheidend, wie die Studie zeigt.

Foto: Tumisu auf Pixabay

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