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Digitalisierung in Unternehmen: Fehlt Mut oder Ressource?

Seit 2016 ist in den Chefetagen deutscher Großunternehmen die Bedeutung der Digitalen Transformation, der Digitalisierung, von Jahr zu Jahr gestiegen. Jetzt sinkt sie erstmals, wie eine Befragung der Digitalberatung etventure in Zusammenarbeit mit der GfK Nürnberg zeigt. Das International Institute for Management Development führt Deutschland 2019 indes in seinem jährlichen Ranking der leistungsfähigsten Digitalökonomien der Welt lediglich auf Platz 17.

Jährlich werden von etventure und GfK bundesweit repräsentativ Großunternehmen ab 250 Millionen Euro Jahresumsatz befragt. Im Vorjahr nannten den neuen Zahlen nach noch rund zwei Drittel (62 Prozent) der Firmen die digitale Transformation als eines ihrer drei wichtigsten Unternehmensziele, aktuell sind es noch etwas über die Hälfte. Zugleich konzentrieren sich die Unternehmen deutlich stärker noch als im Vorjahr allein auf die Digitalisierung analoger Prozesse oder schon vorhandener Geschäftsmodelle und lediglich ein Fünftel auf die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsfelder (2019: 21 Prozent I 2018: 28 Prozent).

Als größtes aktuelles Hemmnis bei der Umsetzung der Digitalen Transformation werden mit deutlichem Abstand „fehlende qualifizierte Mitarbeiter mit Digital-Knowhow“ genannt (76 Prozent). Auffällig ist, dass gleichzeitig auch immer stärker schwindende Vertrauen in die vorhandenen Mitarbeiter. Während vor zwei Jahren noch fast jedes zweite Großunternehmen seine Mitarbeiter für ausreichend qualifiziert hielt, die Digitalisierung voranzutreiben, sind es jetzt gerade noch rund ein Viertel (28 Prozent).

Digitalisierung: Raus aus der Kernorganisation

„Das Erfolgsrezept heißt daher: Raus aus der Kernorganisation und rein in einen geschützten Raum, wo sehr schnell digitale Geschäftsmodelle mit neuen Methoden entwickelt, getestet und umgesetzt werden können“, sagt etventure-Geschäftsführer Philipp Depiereux: „Außerhalb der Kernorganisation können Mitarbeiter dann neue Methoden und Agilität leben und deren direkte Wirkung erfahren und bewerten.“ Erfolge aus solchen geschützten Digitaleinheiten müssten genutzt werden, um Mitarbeiter zu begeistern und das Unternehmen zu transformieren.

Interessant, dass die FDP-Fraktion im Bundestag nun die Einrichtung sogenannter digitaler Freiheitszonen fordert. Diese Zonen sollten sowohl in die Künstliche-Intelligenz-Strategie als auch in die Hightech-Strategie der Bundesregierung aufgenommen werden. Die Partei will mit den digitalen Sonderwirtschaftszonen den Strukturwandel vorantreiben und Entwicklungskerne für neue und technologisch veränderte Wirtschaftsstrukturen bilden. Start-ups könnten die schon länger bestehenden Unternehmen bei ihrer digitalen Transformation unterstützen und selbst von deren langjährigen Erfahrungen profitieren.

Laut FDP gibt es auf der Welt mittlerweile rund 5000 unterschiedliche Formen von Sonderwirtschaftszonen. Dabei handele es sich um meist räumlich abgegrenzte Gebiete innerhalb eines Staates, die sich durch rechtliche, steuerrechtliche und administrative Erleichterungen auszeichneten. Hierzu würden unter anderem Industrie- und Wissenschaftsparks, Freihandelszonen, Exportförderzonen, und Enterprise Zones zählen.

Französisches Silicon Valley

Als Beispiel nennt die Partei den französischen Wissenschaftspark „Sophia Antipolis“, der als französisches Silicon Valley gelte. In dem Park seien rund 1350 Unternehmen mit 34400 Beschäftigten angesiedelt. Sein Bruttoinlandsprodukt liege bei circa sechs Milliarden Euro jährlich. Ein wesentlicher Standortvorteil sei eine Steuergutschrift. Unternehmen würden 30 Prozent ihrer Ausgaben für Forschung erstattet bekommen, in den ersten beiden Jahren sogar 50 beziehungsweise 40 Prozent. Die FDP begründet ihr Vorhaben damit, dass Deutschland in seiner wirtschaftlichen Stärke nach wie vor überwiegend industriell geprägt und die digitale Wirtschaft immer noch nicht ausreichend entwickelt sei.

Die etventure-Studie zeigt indes auch positive Weichenstellungen. Mehr als verdoppelt hat sich gegenüber 2018 die Anzahl der Großfirmen, die die Position eines Chief Digital Officer für die Umsetzung der digitalen Transformation geschaffen haben, in 2019 36 Prozent, in 2018 15 Prozent. Jedes zweite Unternehmen berichtet auch von einer Zusammenarbeit mit Startups (2019: 49 Prozent, 2018: 38 Prozent), mit Universitäten oder Forschungseinrichtungen (43 Prozent) und ein Drittel der Unternehmen kooperiert sogar mit Wettbewerbern.

Eine Studie der Management- und Technologieberatung BearingPoint zeigt indes, dass Finanzvorstände in europäischen Unternehmen die digitale Transformation beschleunigen müssen, um sich an plötzliche Geschäfts- und Marktveränderungen anzupassen. Nur fünf Prozent der deutschen Unternehmen erreichen demnach die dritte und höchste Digitalisierungswelle. Die Studienergebnisse zeigten, dass die größten Hürden für eine erfolgreiche Digitalisierung mit der Kultur, der Strategie und den Mitarbeitern verbunden seien. So sei man beispielsweise oft der Meinung, dass Mitarbeiter noch die Fähigkeiten und Erfahrungen fehlen, um die digitale Transformation zu unterstützen. Allerdings fehle auch vielen Führungskräften das Selbstvertrauen und Engagement, um eine erfolgreiche Transformation in diesem Bereich zu leiten.

Foto: Free-Photos auf Pixabay

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