Fledermäuse kommen oft durch Windkraftanlagen zu Tode. Bislang war unklar, ob alle Altersgruppen oder Geschlechter in gleichem Maße gefährdet sind. Eine Untersuchung zeigt nun eine hohe Zahl getöteter Jungtiere und Weibchen, was sich langfristig negativ auf die Bestandsentwicklung auswirken könnte.
Die derzeitige Praxis der Windenergieerzeugung erscheint als nicht ökologisch nachhaltig, so das Fazit der Untersuchung, die von Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) geleitet wurde. Ein Ergebnis mit Sprengkraft, denn im Koalitionsvertrag der neuen Ampel-Regierung steht, dass zwei Prozent der deutschen Landesfläche für Windenergie ausgewiesen werden sollen.
Das dürfte den schon lange schwellenden Konflikt zwischen Naturschützern und Anhängern der alternativen Energieform verstärken. In dem Bemühen, die negativen Auswirkungen der Treibhausgas-Emissionen auf das globale Klima zu verringern, fördern viele Länder die Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen wie der Windenergie.
Windenergie mit nennenswerten Kosten für biologische Vielfalt verbunden
Obwohl Windenergie als umweltfreundlich gilt, ist sie mit nennenswerten Kosten für die biologische Vielfalt verbunden. Zum einen leiden Tierbestände beim Bau von Windenergieanlagen in sensiblen Gebieten wie Wäldern oder Feuchtgebieten unter dem Verlust ihres Lebensraums. Zum anderen können Vögel und Fledermäuse durch den Betrieb von Anlagen getötet werden, entweder durch direkte Kollision mit den rotierenden Flügeln der Windrädern oder – im Falle von Fledermäusen – auch durch ein sogenanntes Barotrauma in den Luftverwirbelungen an den Rotorblättern.
Die Wissenschaftler haben nun beim Vergleich von Alter, Geschlecht und Herkunft von an Windenergieanlagen getöteten Rauhautfledermäusen mit lebenden Artgenossen in der Nähe der Anlagen festgestellt, dass Jungtiere überproportional häufig an Anlagen zu Tode kommen. Und Weibchen werden häufiger geschlagen als Männchen – dies entspreche aber ihrem höheren Anteil in den lokalen Beständen. Die hohe Zahl getöteter Jungtiere und Weibchen könnten sich langfristig negativ auf die Bestandsentwicklung auswirken, heißt es weiter.
Schutz von Fledermäusen an Windkraftanlagen vorrangiges Ziel
„Im Rahmen unserer Untersuchung fanden wir mehr junge Rauhautfledermäuse, also Pipistrellus nathusii, tot unter Windkraftanlagen, als aufgrund ihrer Häufigkeit in den lokalen Beständen zu erwarten gewesen war“, sagt Christian Voigt, Leiter der Leibniz-IZW-Abteilung für Evolutionäre Ökologie: „Das deutet darauf hin, dass junge Tiere an Windenergieanlagen besonders gefährdet sind.“
Diesen überproportionalen Anteil von jungen Tieren unter den Schlagopfern habe man bei niedriger Dichte von Anlagen in Gebieten mit Gewässern und Wäldern nachgewiesen. In Gegenden also, in denen Rauhautfledermäuse sich fortpflanzen. In Gebieten mit hoher Dichte an Windenergieerzeugung, etwa in Küstenregionen, kamen den Ergebnissen nach die Altersgruppen und Geschlechter entsprechend ihres relativen Auftretens in der Lebendpopulation an Windrädern zu Tode.
Eine hohe Gefährdung von jungen Rauhautfledermäusen an Windrotoren kann laut dem Experten die natürliche Alterspyramide aus der Balance bringen. Auch den häufigen Tod von weiblichen Tieren betrachten Voigt und sein Team als ein Problem für den Schutz der wandernden Tiere. „Weibchen und Jungtiere sind extrem wichtig, um die langfristige Lebensfähigkeit der Kolonien zu gewährleisten, der Schutz von Fledermäusen an Windkraftanlagen sollte deshalb ein vorrangiges Ziel bei der Planung und dem Betrieb dieser Anlagen sein“, so Voigt.
Saisonale Abschaltzeiten für Windräder während der Nacht
Voigt und sein Team untersuchten die Merkmale von etwa 650 Rauhautfledermäusen während der sommerlichen Migrationszeit in Deutschland. Sie werteten Geschlecht, Alter und geografische Herkunft aus – sowohl von getöteten Tieren (119) als auch von Individuen aus lokalen Beständen (524), die in Netzen gefangen oder in künstlichen Tagesquartieren beobachtet wurden. Um Tiere aus den lokalen Beständen von solchen zu unterscheiden, die aus dem baltisch-russischen Raum zu uns gezogen sind, analysierten sie die stabilen Wasserstoffisotope im Fell der Tiere.
„Im Gegensatz zu Geschlecht und Alter hatte jedoch die Herkunft einer Fledermaus keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, an einer Windkraftanlage getötet zu werden“, sagt Cecília Kruszynski de Assis vom Leibniz-IZW: „Unsere Untersuchung zeigt jedoch, dass die Windenergieerzeugung ungleiche Auswirkungen auf unterschiedliche Teilgruppen migrierender Tiere haben können.“
Maßnahmen, die hohe Schlagraten und Todeszahlen an Windrädern verhindern, wie beispielsweise saisonale Abschaltzeiten während der Nacht und bei für Fledermäuse günstiger Witterung, sollten ihrer Ansicht nach in ganz Europa umgesetzt werden, um einen Rückgang der Bestände wandernder Tiere wie der Rauhautfledermaus zu verhindern.
Foto: Christian C. Voigt/Leibniz-IZW