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Können Moore und Wälder den Klimakiller Mensch retten?

Neuerdings entdecken viele die Moore und Wälder dieser Welt als unsere Rettungsanker in der Klimakrise. Irgendwie erstaunlich: Schließlich haben wir jahrzehntelang riesige Moorlandschafzen zerstört und als Torf in unsere Gärten geschmissen, und viele Wälder haben wir Menschen in Zahnstocher-Ansammlungen verwandelt.

Egal, nun in der leibhaftig gewordenen Krise will man großflächig vernässen und Wäldern den Artenreichtum zurückgeben. CO2 einsparen durch weniger Verkehr und erneuerbare Energien – bloß nicht, die Menschen könnten sich von der Politik genötigt fühlen und rechts wählen.

Über die Wälder in dieser Diskussion haben sich Forschende an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg jetzt Gedanken gemacht. Weil Wälder große Mengen Kohlenstoffdioxid speichern, gelten sie als ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Klimawandel. Die Vereinten Nationen haben daher 2021 beschlossen, die globale Entwaldung bis zum Jahr 2030 zu stoppen.

Wie dieses Vorhaben vorankommt, soll auf der bald stattfindenden Klimawandelkonferenz der Vereinten Nationen in Dubai vom 30. November bis 12. Dezember 2023 besprochen werden. „Diese Diskussion beruht jedoch teilweise auf falschen Annahmen und unterschätzt die Risiken, vor denen unsere Wälder stehen“, sagt der Waldbau-Experte Jürgen Bauhus.

Zusammen mit dem Forstökonomen Marc Hanewinkel und der Bodenökologin Friederike Lang erforscht Bauhus an der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg, wie der Wald der Zukunft ihre wichtigen Funktionen für Mensch und Natur weiterhin erfüllen können. Die UN würden die Rolle von Wäldern im Klimaschutz viel zu optimistisch sehen, so die drei Forschenden.

Wälder werden zu CO2-Quellen

„Wälder sind selbst Leidtragende des Klimawandels“, sagt Lang: „Der Klimawandel führt zu mehr akuten Extremereignissen wie Hitze, Stürmen, Waldbränden und langen Trockenphasen, die zur Austrocknung der Böden führen. Die veränderten Bedingungen begünstigen die Ausbreitung von Schaderregern und führen dazu, dass viele Baumarten in ihren angestammten Gebieten nicht mehr gedeihen können.“ So komme es zu einem klimabedingten Absterben der Bäume, die dann kein CO2 mehr aufnehmen können. Dadurch wird das bereits in Bäumen und Böden gespeicherte CO2 teilweise wieder freigesetzt und in die Atmosphäre entlassen.

Um Forste als wichtigen Kohlenstoffspeicher zu erhalten, gelte es vor allem, die Erderwärmung zu begrenzen. Werde die Nutzung fossiler Brennstoffe nicht schnell und massiv reduziert, dann wäre es naiv zu glauben, dass Wälder durch die Speicherung von atmosphärischem CO2 als Kohlenstoff im Ökosystem negative Emissionen in einer Größenordnung bewirken können, die einen Anstieg der globalen Temperatur auf 1,5 oder 2 Grad Celsius begrenzen würde, warnt Hanewinkel.

Aktive Klimawandelanpassung

Auf der UN-Klimakonferenz sollte deshalb anders über Wälder nachgedacht werden, empfehlen die Forschenden. „Die bisherigen Ansätze zur Erhaltung und Restaurierung von Wäldern sind zu vergangenheitsorientiert“, sagt Bauhus. Zu oft werde versucht, Waldökosysteme so zu bewahren, wie sie vor Jahrzehnten waren. Weil sich die Lebensbedingungen für Flora und Fauna durch den Klimawandel aber stark verändert hätten, sei dieser Ansatz meist aussichtslos. Vielmehr brauche es eine Kombination aus natürlicher Entwicklung und aktivem Forstmanagement, um unsere Wälder möglichst schnell an die neuen Bedingungen anzupassen. Dies umfasse beispielsweise Versuche mit alternativen Baumarten sowie eine Verjüngung und Diversifizierung des Waldes.

Den Umbau des Waldes sozial und wirtschaftlich gestalten

Bei der gesteuerten Klimawandelanpassung der Baumbestände sollten auch soziale Faktoren mit bedacht werden. Die Wälder würden durch den Umbau ihre Gestalt verändern, und das könne „Widerstand in der Bevölkerung auslösen, der ihr gewohnter Wald beispielsweise als Erholungs- und Freizeitgebiet wichtig ist“, meint Hanewinkel. Entscheidend sei es daher, die Öffentlichkeit gut über die notwendigen Anpassungsmaßnahmen zu informieren und zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Ansprüchen auf den Wald zu vermitteln.

Erschwert werde die Klimawandelanpassung der Baumansammlungen laut Bauhus auch „durch inkohärente Ziele der Abkommen zum Wald- und Artenschutz“ sowie durch eine Verlagerung von Treibhausgasemissionen und Beeinträchtigungen der Biodiversität in Länder mit schwächerer Regulierung: „Wir brauchen daher eine bessere internationale Abstimmung der Maßnahmen.“

Zudem müsse die Politik stärkere wirtschaftliche Anreize zur Anpassung der Forste setzen, betont Hanewinkel. Im Moment würden Waldbesitzende nur für das Holz bezahlt, das sie produzieren. „Wälder erfüllen aber noch viel mehr Ökosystemleistungen: Sie binden CO2, speichern Wasser, schützen Böden, stärken die Biodiversität, dienen der Erholung und vieles mehr“, sagt er. Würden diese wichtigen Leistungen angemessen entlohnt, könne das ein wesentlicher Schritt zur Erhaltung und Klimawandelanpassung sein, sind sich die drei einig.

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