Auch Land- und Forstwirtschaft beeinflussen, verändern oder zerstören natürliche Lebensräume. Meist berechnet man ihre Auswirkung auf die Biodiversität anhand der durch Landnutzung beanspruchten Fläche. Doch auch die Intensität der Naturnutzung spielt eine Rolle, wie eine neue Studie zeigt. Demnach lässt sich die Gefährdung von Landwirbeltieren zu etwa 25 Prozent auf die Intensität der Nutzung zurückführen.
Globales Bevölkerungswachstum und steigende Ansprüche an materiellen Konsum führen zu einem wachsenden Bedarf an Nahrung, Rohstoffen, Energie, und Siedlungs- und Verkehrsraum. Zur Deckung dieses Bedarfs werden mindestens drei Viertel der globalen Landfläche unseres Planeten immer intensiver genutzt, auf Kosten wildlebender Tier- und Pflanzenarten.
Verlust von natürlicher Lebensraumfläche als Indikator
Um die Konsequenzen dieser Landnutzung für die Biodiversität abzuschätzen, verwendet die Ökologie oft den Verlust von natürlicher Lebensraumfläche als Indikator. Denn Landnutzung führt zur Umwandlung natürlicher in genutzte Ökosysteme mit völlig anderer Struktur, Funktion und Artenzusammensetzung, also zum Beispiel von Wald in Acker- oder Grünland.
Allerdings ist nicht jeder Nutzungstyp mit derart tiefgreifenden Veränderungen verbunden. Viele Arten können auch in vom Menschen genutzten Landschaften überleben, solange beispielsweise der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden, die forstliche Änderung der Waldstruktur, die Dichte der Weideviehbestände oder das Ausmaß der Bodenversiegelung gewisse Grenzen nicht übersteigen. Um die Auswirkungen auf Biodiversität abzuschätzen ist es daher notwendig, auch solche Indikatoren der Landnutzungsintensität zu berücksichtigen.
In der neuen Studie hat das Team um Philipp Semenchuk, das aus Forschenden der Universität Wien, der Universität für Bodenkultur Wien und des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums Frankfurt besteht, die Bedrohung von Wirbeltierarten durch die Umwandlung von natürlichen in genutzte Ökosysteme mit den Auswirkungen der Intensität der Landnutzung verglichen.
Dafür haben sie eine Reihe globaler Datensätze zu Flächenausmaß und Intensität von Landnutzung und Biodiversität kombiniert. Auf Basis dieser Daten und eines Computermodells wurde dann für die gesamte globale Landfläche der Artenverlust berechnet, der mit einer Umwandlung ehemaliger Naturlandschaften beziehungsweise mit ihrer Nutzung in heutiger Intensität verbunden ist.
Artenverlust durch Landnutzung zu einem Viertel wegen Nutzungsintensität
„In weiten Teilen der Welt wird Land nach wie vor sehr extensiv genutzt, das bedeutet, dass der Eingriff des Menschen in den Naturhaushalt eher gering ist“, stellt Philipp Semenchuk vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien fest: „Trotzdem legen unsere Ergebnisse nahe, dass die Bedrohung von wildlebenden Säugetieren, Vögeln, Reptilien und Amphibien zu etwa 75 Prozent auf die historische Umwandlung von Ökosystemen, und immerhin zu fast 25 Prozent auf die Intensität der Nutzung zurückzuführen ist.“
Das lasse sich vor allem dadurch erklären, dass viele natürliche Ökosysteme ohne grundlegende Transformation des Ökosystem-Typs genutzt werden, wie etwa im Fall der Weidenutzung subtropischer Savannen oder zentralasiatischer Steppen. „Die Verdrängung wildlebender Tierarten ist in diesen Fällen vor allem auf die Art und Weise, also der Intensität der Nutzung zurückzuführen und weniger auf eine strukturelle und systematische Umwandlung von Naturräumen“, meint Semenchuk: „In Regionen, in denen natürliche Ökosysteme wie zum Beispiel Wälder durch Kulturland ersetzt worden sind, wie etwa in weiten Teilen Mittel- und Westeuropas, schätzt unser Modell den Einfluss der Nutzungsintensität auf den Biodiversitätsverlust entsprechend geringer ein, da hier der Effekt der Umwandlung überwiegt.“
Biodiversitätsschutz muss Flächenverbrauch und Nutzungsintensität berücksichtigen
Diese Ergebnisse legen laut Semenchuk nahe, dass im Spannungsfeld von gesellschaftlichem Ressourcenbedarf und Biodiversitätsschutz Landnutzungstypen und die Intensität der Nutzung getrennt beachtet werden sollten. Weltweite Bemühungen, den Status und Schutz der globalen Biodiversität zu verbessern, zielen tatsächlich oft vor allem auf den Flächenverbrauch ab. So hat die „High Ambition Coalition for Nature and People“, der auch Österreich beigetreten ist, sich zum Ziel gesetzt, 30 Prozent der globalen Landfläche unter Naturschutz zu stellen.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass sich die erhofften Auswirkungen dieses ambitionierten Ziels auf Biodiversität nur dann voll realisieren lassen, wenn Landnutzungstypen sowie deren Intensität in diesen Schutzgebieten entsprechend streng reguliert, und nicht nur die weitere Zerstörung und Umwandlung von Ökosystemen verhindert werden“, betont Fridolin Krausmann vom Institut für Soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur Wien.
Weiterhin kann aus den Daten der Studie berechnet werden, wie viele Wirbeltierarten durch den regionalen Konsum einzelner land- und forstwirtschaftlicher Produkte weltweit gefährdet werden. So kommt etwa ein wesentlicher Teil des in Österreich verfütterten Sojaschrots aus artenreichen Gebieten in Lateinamerika. Die Rohstoffproduktion findet oft in weiter Entfernung vom Ort des Endkonsums statt. „Mit unserem Modell können wir diesen globalen Biodiversitätsfußabdruck unseres Konsums berechnen und sichtbar machen“, so Semenchuk.
Foto: nidan auf pixabay