Die Zahl der Insekten nimmt seit Jahren ab. Für landwirtschaftlich genutzte Gebiete ist das Insektensterben schon gut dokumentiert. In Wäldern wurden aber bisher vor allem Insekten untersucht, die als Schädlinge gelten. Forschende haben nun die Entwicklung vieler Insektenarten in deutschen Wäldern untersucht. Anders als vermutet, zeigte sich auch hier, dass die Artenvielfalt abnimmt.
Der Wald ist durch seine Bedeutung für das Klima und die allgegenwärtigen Waldschäden infolge der heißen und trockenen Sommer ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Neben dem Menschen sind auch viele Tierarten auf das Ökosystem Wald angewiesen, die meisten von ihnen sind Insekten.
Individuenzahl bei Mehrzahl ausgewerteter Arten zurückgegangen
Insekten werden im Wald aber oft nur als Schädlinge beachtet, wie beispielsweise die Berichterstattung über Borkenkäfer oder Maikäfer zeigt. Dabei sind alle Arten für das natürliche Gleichgewicht sehr wichtig. Während zeitliche Veränderungen in den Populationen potentieller Schadinsekten gut untersucht sind, weiß man wenig über den Zustand und die Entwicklung der vielen anderen faszinierenden Insektenarten in Wäldern.
Eine neue Studie unter der Leitung von Forschenden der Technischen Universitäten Darmstadt und München in Zusammenarbeit mit weiteren Forschenden zeigt nun, wie sich die Populationen von 1.805 Insektenarten von 2008 bis 2017 in deutschen Wäldern entwickelt haben. Zur Überraschung der Forschenden ist die Individuenzahl bei der Mehrzahl der ausgewerteten Arten über die Zeit zurückgegangen.
Dies wundert vor allem im Vergleich zu landwirtschaftlich geprägten Flächen, bei denen sich die Art der Landnutzung über die Zeit verändert und durch Faktoren wie wirksamere Pestizide, den Wegfall von Randstrukturen oder den vermehrten Anbau von Energiemais intensiviert hat. Störungen dieser Art spielen im Wald keine Rolle für das Insektensterben.
Auswirkungen auf alle Organismen im Wald
Dennoch lässt sich ein deutlicher Artenrückgang nachweisen. Dabei waren größere und häufigere Arten besonders stark rückläufig. Während bei pflanzenfressenden Insekten etwas mehr Arten zu- als abnahmen, gingen bei allen anderen Ernährungstypen wie Räubern oder Totholz-Zersetzern deutlich mehr Arten zurück.
Die neue Studie wurde im Rahmen der „Biodiversitäts Exploratorien“, einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft seit 2006 gefördertem interdisziplinärem Infrastruktur-Schwerpunktprogramm, in drei Regionen durchgeführt: im Nationalpark Hainich, im UNESCO Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin und im UNESCO Biosphärenreservat Schwäbische Alb.
Der Rückgang war stärker in Wäldern mit einem hohen Anteil an Nadelbäumen wie etwa Fichten und Kiefern, die in den Untersuchungsgebieten natürlicherweise nur selten vorkommen, sondern angepflanzt sind. In heimischen Buchenwäldern waren die Verluste dagegen geringer. Weiterhin waren in geschützten Wäldern ohne forstliche Nutzung die Rückgänge weniger stark als in intensiv bewirtschafteten Wäldern.
Zunehmende Trockenheit Grund für Insektensterben?
Mit dieser bisher umfangreichsten Studie zum Insektensterben in mitteleuropäischen Wäldern zeigen die Forschenden, dass Insekten nicht nur – wie schon zuvor nachgewiesen – in der Agrarlandschaft rückläufig sind, sondern auch im Wald, welcher in Deutschland fast ein Drittel der Landfläche bedeckt. „Über 60 Prozent der untersuchten Insektenarten waren rückläufig“, sagt Michael Staab von der Arbeitsgruppe Ökologische Netzwerke des Fachbereichs Biologie der TU Darmstadt. „Dies wird sehr wahrscheinlich Auswirkungen auf alle Organismen in unseren Wäldern haben, da sich Nahrungsnetze zu verschieben drohen.“ In Anbetracht des Klimawandels sei es in Zukunft notwendig zu untersuchen, wie sich die zunehmende Trockenheit und die damit einhergehende Veränderung der heimischen Wälder auf die Entwicklung von Insektenpopulationen auswirken.
„Unsere Wälder sind durch die Klimakrise gerade dabei, sich drastisch zu verändern“, sagt Professor Nico Blüthgen, Leiter der Arbeitsgruppe Ökologische Netzwerke: „Wir versuchen derzeit zu verstehen, wie sich dies auf die Insektenpopulation auswirkt.“ Die Ergebnisse der Studie legten nahe, dass eine gezielte Bewirtschaftung, einschließlich der Förderung einer natürlicheren Baumartenzusammensetzung und eines reduzierten Holzeinschlags, dazu beitragen kann, das Insektensterben in unseren Wäldern abzuschwächen.
Foto: Manfred Antranias Zimmer auf Pixabay