Unter der Leitung des Environment and Climate Hub der Universität Wien entwickelt ein internationales Forschungsteam aktuell einen neuen Ansatz im Kampf gegen die Klimakrise. Sie wollen die Neurowissenschaften als Verbündete im Kampf gegen den Klimawandel nutzen.
Einfach gesagt geht es um eine neue Perspektiven, wie die globale Erwärmung das menschliche Gehirn beeinflussen kann – und umgekehrt. Der Mensch wird von seiner Umgebung beeinflusst und geprägt – und beeinflusst seinerseits seine Umwelt durch seine Lebensweise und sein Verhalten.
Dieses Phänomen ist Gegenstand umfangreicher Forschungen in einer Vielzahl von Wissenschaftsbereichen. Die Neurowissenschaften haben gezeigt, dass die Umweltbedingungen nicht nur unseren Verstand, sondern auch unser Gehirn beeinflussen. Dieses grundlegende Konzept einer wechselseitigen Beziehung zwischen Menschen und Umwelt hat bereits eine lange Tradition.
Die Nutzung der Gehirnforschung zur Bewältigung der Klimakrise ist jedoch eine relativ neue Idee. In einer Studie erörtert das Forschungsteam zwei miteinander verbundene Wege – von der Umwelt zum Gehirn und umgekehrt – und wirft auch relevante Forschungsfragen auf, zu deren Beantwortung die Neurowissenschaften beitragen können.
Der Klimawandel beeinflusst das menschliche Gehirn
Dieses neuartige Modell hebt die Beziehungen zwischen den bereits stattfindenden Umweltveränderungen und dem menschlichen Gehirn hervor. „Auf dem ersten Weg schlagen wir vor, dass die Neurowissenschaften bewerten und quantifizieren können, wie sich die verschiedenen Folgen des Klimawandels auf das Gehirn auswirken“, erklärt Kimberly Doell von der Fakultät für Psychologie der Universität Wien: „Dieses Wissen wollen wir nutzen, um Strategien zum Schutz des Gehirns zu entwickeln oder es widerstandsfähiger gegen diese negativen Auswirkungen zu machen.“
Da der Klimawandel extreme Wetterereignisse verschärft, ist es dringend notwendig zu verstehen, wie sich solche negativen Faktoren auf das Gehirn, die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden auswirken.
Menschliche Entscheidungen beeinflussen die Umwelt
Der zweite Weg – vom Gehirn zur Umwelt – sieht vor, Forschungsansätze zu nutzen, die die neuronalen Grundlagen kognitiver und emotionaler Prozesse erforschen, die entweder zu umweltfreundlichem oder umweltschädlichem Verhalten führen. Viele Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel werden von psychologischen Barrieren, kognitiven Verzerrungen und Heuristiken beeinflusst, die einer bewussten Selbstbeobachtung nicht unbedingt zugänglich sind.
„Neurowissenschaftliche Ansätze haben das Potenzial, diese Prozesse aufzudecken und dabei zu helfen, Hindernisse zu identifizieren, die Menschen davon abhalten, sich umweltfreundlich zu verhalten“, sagt Kimberly Doell: „Unter Rückgriff auf Bereiche wie Neuroökonomie und soziale Neurowissenschaften müssen wir die neuronalen Mechanismen identifizieren, die zu menschlichen Entscheidungen führen, die sich positiv oder negativ auf die Umwelt auswirken.“
Aufruf zum Handeln
Die Studie ruft auch zum Handeln auf: „Gezielte und wirkungsvolle Forschung, internationale Zusammenarbeit und interdisziplinäre Integration sind notwendig, um signifikante Fortschritte bei der Bekämpfung des Klimawandels zu erzielen.“ Die Überbrückung von Analyseebenen – von Neuronen bis hin zu gesellschaftlichen Maßnahmen – sei entscheidend für die Lösung dieser existenziellen Herausforderungen.
Bild: Kimberly Doell / Midjourney