Um die Artenvielfalt Europas zu erforschen und wichtige genomische Daten dafür bereitzustellen, initiierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 48 Ländern Anfang 2021 den „Europäischen Referenz-Genom-Atlas“ (ERGA). Im Rahmen dieses Projekts erstellen die rund 600 beteiligten Forschenden besonders hochwertige Genomanalysen, sogenannte Referenzgenome, zur biologischen Vielfalt des europäischen Kontinents.
Etwa 200000 Arten haben sie dabei im Blick. Zu den untersuchten Organismen zählen bedrohte Arten wie auch solche, die für Landwirtschaft, Fischerei, Schädlingsbekämpfung und für die Funktion und Stabilität von Ökosystemen wichtig sind. In seinem Perspektivpapier „Trends in Ecology and Evolution“ unterstreicht das ERGA-Konsortium die Notwendigkeit und Bedeutung von Referenzgenomen für die biologische Erforschung der Artenvielfalt und für den Artenschutz. Zu dem Team zählen auch vier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und des dort federführend betriebenen LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik.
Für Erhalt der Artenvielfalt Referenzgenome von grundlegender Bedeutung
War noch vor wenigen Jahren die Sequenzierung von Genomen auf vereinzelte Modellorganismen beschränkt, so hätten es die technischen Fortschritte inzwischen möglich und erschwinglich gemacht, die Genome aller Arten zu entschlüsseln. Die Biodiversitätsgenomik, die genetisches Material zur Untersuchung einzelner Organismen, Populationen und Ökosysteme einsetzt, profitiere in hohem Maße von Referenzgenomen, da sie unter anderem Aufschluss über die evolutionäre Struktur und das Anpassungspotenzial einer Art geben.
Die Detailtiefe dieser genomischen Analysen bringt laut Senckenberg alle Bereiche der Biodiversitätsforschung erheblich voran. Die komplexen Daten liefern Informationen zu zahlreichen Fragen, von Besonderheiten in der Artbildung wie Hybridisierungen bis zur Charakterisierung ganzer Artgemeinschaften.
Auch für die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist die Verfügbarkeit hochwertiger Referenzgenome für einen repräsentativen Teil der Arten von grundlegender Bedeutung, um deutlich gezieltere Schutzmaßnahmen zu ermöglichen. Die Erforschung der genomischen Vielfalt einer Art kann als Frühwarnsystem dienen, um die Widerstandsfähigkeit abzuschätzen, den Rückgang der Bestände vorherzusagen und schließlich die strategische Planung von Erhaltungsmaßnahmen zu unterstützen.
Foto: Clément Schneider