In der deutschen Gesellschaft schwelen massive Konflikte. Nicht nur die Politik scheint zerstritten, Terrorangriffe führen zu einer Migrationsdebatte, die ungelöst bleibt, Klimaaktivismus wird von Klimaleugnenden angegriffen, die Spaltung der Gesellschaft ist ein Topthema.
Lösungen werden gerade in Krisenzeiten oft von neuen Konflikten überlagert. Dabei gibt es an die Wissenschaft hohe Erwartungen, wobei auch sie angegriffen wird, wie die Pandemie gezeigt hat. Zeit also, sich über Konflikte besser zu verständigen und innovative Formate für Konfliktbearbeitung zu entwickeln. Das soll nun mit der ersten Konfliktakademie an der Universität Bielefeld, der „ConflictA“, gelingen.
Schon vergangene Studien des 1996 an der Uni Bielefeld gegründeten Institut für interdisziplinäre Konflikt-und Gewaltforschung (IKG) zeigen eine kritische gesellschaftliche Entwicklung. „Unsere Daten belegen einen Anstieg rechtsextremer Einstellungen und Gewalt nicht nur an den Rändern, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft und allein das ist für viele Menschen wie auch Institutionen eine besondere Herausforderung, die gut verhandelt werden muss“, sagt Andreas Zick, wissenschaftlicher Direktor des IKG und Initiator der ConflictA.
Konflikte klug aushandeln
„Wie schützen wir die Demokratie?“, formuliert er Fragen: „Wie gelingt in Krisenzeiten eine kluge Aushandlung von Konflikten, die aus Interessengegensätzen resultieren, ohne dass Populismus und Extremismus weiter Menschen an sich binden können und die Auseinandersetzungen eher stärker werden? Wie bremsen wir politische Gewalt, die aus Konflikten resultiert?“
Die neu gegründete Akademie soll diesen Entwicklungen entgegenwirken. Sie soll dazu dienen, bundesweit den Austausch von Wissen und Expertise zu Konflikten voranzutreiben und zu systematisieren. Ziel sei es, Ansätze zur Konfliktbearbeitung und Handlungsempfehlungen zum Umgang mit innergesellschaftlichen und demokratierelevanten Auseinandersetzungen verfügbar zu machen.
„Mit der ConflictA schaffen wir eine Plattform, um gesellschaftliche Konflikte zu analysieren und Strategien für einen konstruktiven Umgang zu entwickeln“, sagt Kerstin Eppert, wissenschaftliche Leiterin der ConflictA. Die Akademie setzt dabei auf einen Ansatz, der Forschung, Praxis und Politikberatung verbindet. „Wir bringen Konfliktanalysen mit Debatten und Lösungsfindungen enger in einem Haus zusammen“, erklärt Andreas Zick und er nennt das Grundprinzip der Akademie: „Konflikte beforschen, besprechen, bearbeiten und daraus lernen.“
Ein Schwerpunkt der Arbeit von ConflictA soll auf der kommunalen Ebene liegen. „Viele der Konflikte, mit denen wir uns beschäftigen, entstehen vor Ort in Städten und Gemeinden, und wirken sich auf unser Zusammenleben aus“, so Kerstin Eppert: „Deshalb ist es entscheidend, dass wir gemeinsam mit lokalen Akteurinnen daran arbeiten.“ Ziel sei es, die gemeinsam entwickelten Methoden und Zugänge als Werkzeugkasten für Konfliktbearbeitung allen Interessierten zur Verfügung zu stellen.
In den nächsten Jahren soll sich die Akademie verschiedenen Konfliktphänomenen widmen, etwa mit der Auswirkung von globalen Transformationen und Krisen auf innergesellschaftliche Auseinandersetzungen, mit der Frage, welche Kontextfaktoren dazu führen, dass sich Konflikte destruktiv entwickeln oder wieder eine konstruktive Wendung nehmen können oder damit, wie politische Rahmung und kulturelle Ressourcen Konflikte beeinflussen.
Mit einer Fachkonferenz mit vielen Mitmachelementen wird die ConflictA am 30. Oktober offiziell eröffnet. Sie ist zunächst auf vier Jahre angelegt und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund acht Millionen Euro gefördert.
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