Kino, das ist Kultur pur, vor allem die kleinen Programmkinos. Die Berliner Kinobranche zum Beispiel ist eine der vielfältigsten der Welt. Die Programmkinos bieten auf 78 Leinwänden Woche für Woche eine Vielzahl von Filmen und Veranstaltungen. „Ein Programm so bunt wie die Stadt“, beschreibt es der Berliner Verein der Freunde des Kino Toni e.V. „In unseren Kinos tauchen Menschen in andere Lebenswirklichkeiten ein, lachen, lernen, lieben und streiten.“
Doch die Corona-Pandemie macht der Kinobranche, denen es schon vor der Pandemie gebeutelt von der Streaming-Konkurrenz selten gut ging, einen Strich durchs Programm. „Wie keine andere Stadt lebt und liebt Berlin seine Kinos und die europaweite einzigartige Programmvielfalt. Wir möchten auch in Zukunft diese Kinovielfalt für Euch erhalten und dafür brauchen wir Eure Unterstützung“, schreibt der Verein Kino Toni auf einer Crowdfunding-Seite mit dem Titel „Fortsetzung: Folgt.“ – eine der vielen Ideen bundesweit, das Kino zu retten. Denn trotz fehlender Einnahmen laufen die Fixkosten weiter. Nun will der Verein bis Februar 780000 Euro bei Unterstützenden einnehmen, aktuell sind es 3422 Euro.
Aufgrund der aktuell beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sind die Kinosäle bundesweit seit November ganz leer, die Leinwände bleiben unbespielt. Kinobetreiberinnen und -betreiber und deren Beschäftigte befinden sich erneut im Wartemodus. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, waren 2018 fast 25000 Personen in Filmtheatern tätig, 1000 davon als Inhaberin oder Inhaber.
Halb so viel Kinobesuche im ersten Halbjahr
Sowohl kleine Programmkinos – gut ein Drittel der Kinos beschäftigt weniger als zehn Personen – als auch große Multiplex-Kinos trifft die Schließung. Im Jahr 2018 erwirtschafteten 887 Kinobetriebe mit 1191 Niederlassungen einen Umsatz von fast 1,5 Milliarden Euro, so die Statistiker. 84,4 Prozent des Gesamtumsatzes der Lichtspielhäuser wurde in Personal und Material investiert. Das waren 1,2 Milliarden Euro. Mehr als Dreiviertel davon waren Aufwendungen für Dienstleistungen und Waren, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie sonstige betriebliche Aufwendungen, 23,6 Prozent waren Personalkosten.
Die ersten Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kinobranche waren bereits in der ersten Jahreshälfte deutlich sichtbar: Laut Zahlen der Filmförderungsanstalt (FFA) gingen die Kinobesuche in Deutschland im ersten Halbjahr 2020 um mehr als die Hälfte gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurück. Es wurden 25,9 Millionen Tickets verkauft, 51,7 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2019 (53,7 Millionen verkaufte Tickets).
Comeback der Autokinos
Dass seit dem ersten Lockdown nicht noch stärkere Rückgänge verzeichnet wurden, lag am Comeback der Autokinos. Diese erlebten im Frühsommer 2020 eine Hochphase: 458 Autokinos verkauften fast 1,5 Millionen Tickets. Dies entspricht einem Anteil von 5,7 Prozent aller verkauften Kinokarten von Januar bis Juni 2020. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2019 erfasste die FFA 20 Autokinos in Deutschland, die 110000 Tickets verkauften.
Im Jahr 2019 wurden der FFA zufolge deutschlandweit knapp 5000 Leinwände bespielt und rund 118,6 Millionen Kinobesuche erfasst. Im Durchschnitt gingen die Deutschen im vergangenen Jahr 1,4 Mal ins Kino, ein Ticket kostete hierzulande durchschnittlich 8,63 Euro.
Bis zu drei Jahre Erholung für Kinobranche
Petra Rockenfeller, Betreiberin des Lichtburg Filmpalasts in Oberhausen und Vorstandsmitglied der AG Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater, sieht einen Neustart nach dem neuerlichen Lockdown mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Ein Kino lasse sich im Gegensatz zum Restaurant oder dem Friseurladen nicht „mal eben“ wieder öffnen, sagte sie gestern beim Filmkongress NRW Online. Wichtig sei für die Kinobetreiber auch im Hinblick auf eine Wiederöffnung die Kommunikation mit dem Publikum. Sie habe in E-Mails und Social-Media-Posts den Eindruck gewonnen, dass viele Menschen nicht nur die Filme, sondern auch das Kino als Ort vermissten.
Eigentlich sei jetzt gerade die Zeit, stellt Rockenfeller fest, in der üblicherweise das finanzielle Polster geschaffen werde, um die besucherschwachen Phasen bei hohen Temperaturen zu überstehen. Nach der Corona-Krise rechne sie aber noch mit zwei oder drei Jahren, in denen sich die Kinobranche erholen müsse.
„Wir halten zusammen und meistern die Herausforderung gemeinsam“, appelliert der Verein Kino Toni an die treuen Fans: „Denn genau darauf kommt es jetzt an, nicht nur für unsere kulturelle Zukunft, auch bei uns allen zu Hause, in der Familie, im täglichen Miteinander mit unseren Mitmenschen.“
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