Es ist schon enorm, beinahe verdoppelt hat sich die Einfuhrmenge von Ingwer in den Jahren 2014 bis 2019, von rund 11000 auf 20700 Tonnen. Die Deutschen mögen die scharf schmeckende Wurzelknolle offenbar immer mehr. Im Schnitt nimmt jeder unter uns 250 Gramm Ingwer zu sich, berichtet das Statistische Bundesamt.
Erst recht im Corona-Krisenjahr 2020 stieg die Nachfrage: Von Januar bis Oktober 2020 wurden mit 19000 Tonnen gut zwölf Prozent mehr importiert als im Vorjahreszeitraum. Neben der Volksrepublik China sind Peru und Nigeria die wichtigsten Herkunftsländer. Wobei die ausgefuchsten unter den Fans des Ingwer inzwischen auch selbst anpflanzen, Anleitungen gibt es im Internet zahlreiche.
Wer ist eigentlich diese schrumpelige Knolle?
Die Botaniker nennen die krautige Ingwer-Pflanze, deren Wurzel so viele begeistert, Zingibre officinale. Sie stammt aus den wärmeren Teilen Asiens und wird bis zu zwei Meter groß. Was wir dann als trockene Wurzel in der Küche lagern, sind die unterirdischen, verzweigt und knollenartig verdickten, oft aromatisch riechenden Rhizome der Pflanze, die sie als Überdauerungsorgane ausbildet. Weil daraus neue Pflanzen wachsen, lässt sich leicht erklären, warum in der Wurzel so viel Gutes steckt.
Ingwer enthält im Wurzelstock rund 150 Inhaltsstoffe. Hervorstechend sind die ätherischen Öle, die die Substanzen Zingiberen, Curcumen und beta-Eudesmol enthalten. Aber in der Wurzel stecken auch Scharfstoffe, die der Knolle ihren typischen Geschmack verleihen. Dazu zählen die Gingerole und Shogaole. Außerdem findet man verdauungsfördernde und kreislaufanregende Stoffe wie Borneol und Cineol. Vitamin C, Eisen, Magnesium, Calcium, Kalium, Phosphor und Natrium machen die Sammlung rund.
Die Herkunft der Ingwerpflanze ist nicht sicher bekannt. Möglicherweise hat sie ihren Ursprung in Sri Lanka oder auf den pazifischen Inseln. Mit dem Handel über See von Südasien aus kam die Knolle nach Europa. Alexander der Große soll bei seinen Feldzügen auf die Pflanze gestoßen sein. Er führte sie nach Griechenland ein, wo sie als Gewürz einen wachsenden Ruhm erlebte. Im antiken Rom war sie vor allem als Heilmittel für körperliche Leiden beliebt. Im neunten Jahrhundert verbreitete sich die Knolle in Frankreich, wo Mönche sie als Heilmittel anpflanzten. Dadurch wurde er auch im deutschen Sprachraum bekannt.
In den sechziger Jahren startete dann der Boom in deutschen Küchen, sicher auch durch die vielen neuen chinesischen Restaurants. Es gibt eigentlich fast nichts, was man mit Ingwer nicht machen kann: Getränke, Suppen, Hauptmahlzeiten, Dipps, Desserts, Kuchen und Plätzchen. Die Engländer brauen sogar Ginger Beer und Ginger Ale, übersetzt wird Ingwer mit Ginger.
Was macht Ingwer so beliebt?
Spätestens seit in den letzten Jahren die so genannten Superfoods in unsere Ernährung eingezogen sind, probiert jetzt fast jeder exotische Kräuter, Pflanzen und Samen aus anderen Kontinenten aus, die gesundheitliche Wirkung versprechen. Zwar steht unser heimisches Gemüse und Obst in der Hinsicht genauso gut da.
Aber der Ingwer vereinigt zahlreiche Wirkungen auf sich, die ihn beliebt machen. Grob betrachtet sind das die Themen Schwindel, Übelkeit, Erkältung, Verdauung, Muskel- und Gelenkschmerzen, Arthritis und Krebs. Jedoch muss man genau hinschauen. Denn neben gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen, gibt es auch viele Wirkungen, die man der Knolle durch Erfahrungsberichte unterstellt.
Professor Roman Huber, Leiter des Uni-Zentrums für Naturheilverfahren am Universitätsklinikum Freiburg, versicherte im Bayerischen Fernsehen, dass die Scharfstoffe auf unser Übelkeitsempfinden und gegen Erbrechen wirken. „Das ist die Hauptwirkung, die man bisher gefunden hat“, sagt er: „Die Gingerole wirken auf bestimmte Rezeptoren, und zwar auf die Serotoninrezeptoren. Diese triggern Übelkeit und befinden sich unter anderem im Magen, in der Magenschleimhaut. Wenn diese Rezeptoren von den Gingerolen besetzt oder blockiert werden, wirkt das gegen Übelkeit.“ Eine Übersicht klinischer Studien, wie Ingwer bei Reisekrankheit wirkt, hat die Erwo Pharma GmbH erstellt.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO kann Ingwer gegen entzündliche Erkrankungen wie Magengeschwüre und rheumatische Beschwerden zum Einsatz kommen. Zu seiner antioxidativen, antientzündlichen und antiarteriosklerotischen Wirkung liegen demnach zahlreiche Labor- und Tierversuche vor. Ingwer soll zudem vor Krebs schützen und den Blutzuckerwert senken.
Bei Magen-Darm-Erkrankungen wirkt Ingwer vor allem durch seinen wärmenden Effekt. So wird im Darm die Durchblutung verbessert. Entzündungen können abheilen, die Darmschleimhaut erholt sich. Auch bei der Behandlung von Krebspatienten wird Ingwer eingesetzt: Wird er vor oder während einer Chemotherapie eingenommen, kann er die hierbei übliche Übelkeit lindern.
Auch psychische Wirkung soll die Ingwer-Knolle haben. Ein Forscherteam der University of British Columbia untersuchte die Auswirkungen von Ingwer auf das Ekelempfinden und die Moralvorstellungen von Menschen. Sie mussten unangenehme Fotos anschauen, darunter Bilder von vergammeltem Fleisch oder einer Person, die sich übergibt. Auch moralische Konfliktsituationen sollten die Versuchspersonen beurteilen, wie zum Beispiel eine Ehe zwischen Cousins.
Die Befragung ergab, dass die Reaktionen aller Probanden in den schwerwiegenden Fällen gleichermaßen heftig ausfielen. Das betraf sowohl das Ekelempfinden als auch die moralischen Konflikte. Bei mittelmäßigen Fällen hingegen unterschied sich die Reaktion der Teilnehmenden mit Ingwer-Tabletten von denen der Placebogruppe. Sie reagierten wesentlich gelassener, die Situationen wurden als weniger schlimm eingestuft.
Gibt es auch Schatten im hellen Image der heilenden Wurzel?
Sieht man davon ab, dass es nicht jeder scharf mag, kann Ingwer auch Nebenwirkungen haben. So soll er Berichten zufolge möglicherweise unsere Blutgerinnung hemmen. Auch über Reizungen der Mundschleimhaut und des Verdauungstrakts ist zu lesen. Während einer Schwangerschaft soll Ingwer nur nach Rücksprache mit Frauenärztin oder Frauenarzt genommen werden. Kindern unter sechs Jahren wird die Knolle zudem nicht empfohlen.
Wenn Pflanzen massenhaft angebaut werden, wirkt sich das oft auch auf die Umwelt aus, auch weil Pestizide zum Einsatz kommen. Deshalb wird empfohlen, nur Bio-Ingwer zu kaufen.
Eine interessante Geschichte liest man über Laiwu, eine Stadt in der ostchinesischen Provinz Shandong. Sie gilt demnach als Heimat des Ingwers. Er wird hier auf einer Fläche von zehntausend Hektar angebaut. Jedoch entstünden dabei jährlich rund 150000 Tonnen verfallene Setzlinge des Ingwer, die für Umweltverschmutzung sorgten. Einem Bauern aus einem Dorf in der Gemeinde Niuquan sei es aber nach über einem Jahrzehnt Forschung gelungen, aus dem Abfall Tierfutter herzustellen.
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