In Europa sind sieben bis neun Prozent aller Gefäßpflanzen gefährdet. Das ist das Ergebnis einer Studie. Die Forschenden kombinierten Rote Listen gefährdeter Pflanzenarten in Europa mit Daten ihrer weltweiten Verbreitung.
Wie gefährdet sind Tier- und Pflanzenarten in ihrem Fortbestand? Wie hoch ist das Risiko, dass sie womöglich aussterben? Die Antworten darauf fließen in regionale, nationale und globale Gefährdungsbewertungen ein, sogenannte Rote Listen.
Auf der Grundlage dieser Listen entscheiden vor allem Gesetzgeber und Naturschutzorganisationen über konkrete Naturschutzaktivitäten. Problematisch ist jedoch, dass zwar oft nationale Rote Listen vorliegen, diese aber nicht in globale Listen integriert wurden. So fehlt in der globalen Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) für fast 90 Prozent aller bekannten Pflanzenarten eine Gefährdungsbewertung – eine große Datenlücke.
Etwa 1800 von bis zu 25000 bekannten Gefäßpflanzen gefährdet
Ein internationales Forschungsteam hat nun einen Teil dieser Datenlücke zum Aussterberisiko von Gefäßpflanzenarten geschlossen. Gefäßpflanzen sind fast alle Pflanzen außer Moose, Algen oder Flechten. Dabei stellte es fest: Sieben bis neun Prozent aller in Europa vorkommenden Gefäßpflanzenarten sind in ihrem weltweiten Fortbestand gefährdet.
Grund hierfür ist, dass sie ausschließlich in bestimmten, begrenzten Gebieten in Europa vorkommen und in diesen vollständig gefährdet sind. Sieben bis neun Prozent entspricht etwa 1800 von den schätzungsweise 20000 bis 25000 bekannten europäischen Gefäßpflanzenarten. Von diesen 1800 Arten sind 83 Prozent nicht in der IUCN-Liste aufgeführt.
Die Ergebnisse basieren auf einer erstmaligen Zusammenführung von Daten über die globale Verbreitung von Gefäßpflanzenarten und nationalen Roten Listen aus 37 europäischen Länder aus den Jahren 1999 bis 2020. Die Forschenden stellten fest, dass nationale Rote Listen in der Regel nur die Hälfte aller in einem bestimmten Land vorkommenden Pflanzen abdecken. Die Ergebnisse des Forschungsteams sind daher konservative Schätzungen.
Die wichtigsten Wirbeltiergruppen sind in der IUCN-Liste seit Jahrzehnten nahezu vollständig aufgeführt. „Doch für Pflanzen ist das nicht der Fall“, sagt Hanna Holz, Biologie-Studentin an der Universität Halle: „Solche Datenlücken können fatal sein, denn sie führen zu Unsicherheiten bei der Prioritätensetzung internationaler Naturschutzpolitik.“ Mit den Ergebnissen trage man nun dazu bei, das wichtigste Instrument internationaler Naturschutzpolitik in diesem Bereich zu aktualisieren und zu erweitern.
Die Biodiversitätskonvention der Vereinten Nationen hatte sich das Ziel gesetzt, bis spätestens 2020 eine umfassende Liste bedrohter Pflanzenarten zu erstellen. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. „Durch eine umfassende Synthese bestehender nationaler Roter Listen mit globalen Verbreitungsdaten können nationale Bemühungen relativ leicht in globale Risikobewertungen von Pflanzen einfließen und diese hoffentlich beschleunigen“, sagt Ingmar Staude von der Universität Leipzig.
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