Neue Forschung wird in Fachzeitschriften fast nur in Englisch veröffentlicht. Wissenschaftliche Arbeiten in anderen Sprachen werden oft ignoriert. Auch solche über Naturschutz, Artenvielfalt und Ökologie, wie eine Studie zeigt.
Ein Team von sechzig Forschenden hat unter Leitung der Universität Queensland Arbeiten zum Thema Biodiversität in 16 verschiedenen Sprachen untersucht. Überall auf der Welt haben Forschende deshalb in den letzten Monaten und Jahren wissenschaftliche Fachartikel in ihrer Muttersprache gewälzt.
Nicht-englischsprachige Forschung erweitert Wissen über Artenvielfalt
Auf diese Weise hat das Team 466 nicht-englischsprachige Fachzeitschriften aus den Bereichen Ökologie und Naturschutz in 16 Sprachen aus 38 Regionen der Welt analysiert. In Deutschland war Kerstin Jantke vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg dabei.
Fazit der Studie: Nicht-englischsprachige Forschung erweitert das Wissen über den effektiven Schutz der biologischen Vielfalt substanziell. Den Zugewinn kann das Team konkret beziffern. Wird Naturschutz-Forschung in anderen Sprachen mit einbezogen, steigt die geografische Fläche, die diese Forschung weltweit abdeckt, um 25 Prozent.
Erkenntnisse für die internationale Wissenschaft unerreichbar
Gleichzeitig steht Wissen über wirksamen Schutz von deutlich mehr Tierarten zur Verfügung. So stieg die Zahl der erforschten Arten bei Amphibien zum Beispiel um fünf Prozent, für Säugetiere um neun Prozent und für Vögel um 32 Prozent.
Konkret heißt das, es wurden wirkungsvolle Naturschutzmaßnahmen für den Erhalt von weiteren neun Amphibienarten, 64 Säugetierarten und 217 Vogelarten erforscht. „Diese Erkenntnisse waren für die internationale Wissenschaft aber unerreichbar“, weist die Umweltwissenschaftlerin Kerstin Jantke auf ein Problem hin.
Um die Ergebnisse weltweit zugänglich zu machen, werden sie jetzt in eine frei zugängliche Datenbank eingepflegt. Sie enthält Zusammenfassungen aller geprüften Studien in 16 Sprachen. „Ein Mammutprojekt“, so Kerstin Jantke. Sie selbst hat für die Studie 2756 deutsche wissenschaftliche Aufsätze von 1965 bis 2019 aus drei Ökologie-Fachjournalen sondiert. 65 dieser Arbeiten erfüllten die Kriterien für eine qualitativ geprüfte und wirksame Naturschutzmaßnahme und werden nach und nach in die Datenbank eingehen.
Auch Erkenntnisse aus indigenem Wissen häufig nicht auf Englisch publiziert
Viele dieser Maßnahmen helfen nach Ansicht der Umweltwissenschaftlerin gleichzeitig, den Klimawandel abzumildern, wie zum Beispiel die Wiedervernässung und Renaturierung von Mooren, die im Erdsystem eine wichtige Funktion als Kohlenstoffsenke haben. Die Studie zeige außerdem, dass ein Großteil der Forschung in anderen Sprachen aus besonders artenreichen Regionen wie Lateinamerika stammt, wo die Biodiversität stark gefährdet ist. Auch Erkenntnisse aus indigenem Wissen, dem Indigenous Knowledge, werden häufig nicht auf Englisch publiziert. „Wenn wir diese aber ignorieren, verpassen wir sehr viel erfolgreichen Klima- und Naturschutz“, betont Kerstin Jantke: „Wir sollten dieses Wissen nutzen und nicht verschenken.“
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