Monokulturen in der Landwirtschaft und der Klimawandel sollen Gründe für das Insektensterben sein. Forschende haben jetzt aber nachgewiesen, dass auch die Verstädterung ein weiterer Schlüsselfaktor ist, der Insekten das Überleben schwermacht.
Weltweit sind über vierzig Prozent der Insekten vom Aussterben bedroht, wie eine Studie aus 2019 zeigt. Neben Bienen sind auch 53 Prozent der Schmetterlingsarten und fast jede zweite Käferart gefährdet. Fast fünfzig Prozent der Heuschrecken und 37 Prozent der Libellenarten sind in Gefahr.
Verstädterung macht den Tieren das Überleben schwer
Die Wissenschaft führt das Insektensterben zum einen auf Veränderungen der Landnutzung zurück, beispielsweise auf die Zunahme großer Monokulturen wie Mais und Raps. Zum anderen nennen sie als Ursache auch den Klimawandel mit vermehrter Hitze und Trockenheit.
Doch scheinen diese Befunde Schwächen zu haben, wie der Tierökologe Professor Jörg Müller vom Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg feststellt. Die zugrundeliegenden Studien würden bislang unter anderem die Vielfalt der Insektenspezies nicht gut genug abbilden oder nur kurze Zeiträume und kleine Gebiete berücksichtigen.
Dieses Manko wollte ein Forschungsteam des bayerischen „LandKlif“-Netzwerks nun zumindest teilweise beheben. Der bayerische Forschungsverbund LandKlif wird von der Universität Würzburg koordiniert und ist in naturnahen, landwirtschaftlichen und städtischen Landschaftsräumen in fünf Klimazonen Bayerns aktiv. Ziel ist es, Optionen zur Abmilderung des Klimawandels und zur Anpassung an veränderte klimatische Verhältnisse aufzuzeigen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Verstädterung ein weiterer Schlüsselfaktor ist, der den Tieren das Überleben schwermacht.
Mit Malaise-Fallen dem Insektensterben auf der Spur
Wie wurde das festgestellt? Von Unterfranken bis nach Oberbayern platzierte das Forschungsteam im Frühjahr 2019 Fallen zum Sammeln fliegender, krabbelnder und springender Insekten. Diese Malaise-Fallen befanden sich an 179 Standorten, vom Flachland bis über 1100 Meter Höhe im Bayerischen Wald und in den Alpen. Sie standen in Wäldern, auf Wiesen und Äckern sowie in Siedlungen, eingebettet in naturnahe, landwirtschaftliche und urbane Landschaften.
Eine gesamte Vegetationsperiode lang leerten die Forschenden alle zwei Wochen die Fallen. Sie bestimmten die Biomasse der gefangenen Insekten und identifizierten die einzelnen Arten mittels DNA-Sequenzierung. „In dieser Studie konnten wir zum ersten Mal die Auswirkungen von Klima und Landnutzung auf Insekten in einer mitteleuropäischen Landschaft voneinander trennen“, erklärt Jörg Müller: „Interessanterweise haben die Temperatur am Standort und die durchschnittliche Jahrestemperatur ausschließlich positive Auswirkungen auf die Biomasse und die Vielfalt der Insektenpopulationen.“ Die Form der Landnutzung hingegen habe sich unterschiedlich auf Biomasse und Diversität ausgewirkt.
In urbanen Lebensräumen mehr Grünflächen zu schaffen
Den größten Unterschied bei der Biomasse fand das Forschungsteam zwischen naturnahen und städtischen Gegenden. In der Stadt war die Biomasse um 42 Prozent niedriger. Die Insektenvielfalt war dagegen im Agrarbereich im Vergleich zu naturnahen Lebensräumen um 29 Prozent geringer. „Von bedrohten Arten fanden wir in Agrarräumen sogar 56 Prozent weniger“, berichtet Johannes Uhler, Erstautor der Studie. „Diese gegensätzlichen Muster für die Biomasse und die Artenvielfalt sind ein wichtiges Warnsignal für uns Forschende“, bilanziert Uhler. Man dürfe beim Insektenmonitoring aus einem Rückgang der Biomasse nicht darauf schließen, dass dies auch eine Abnahme der Artenvielfalt bedeutet und umgekehrt.
Auf Grundlage seiner neuen Erkenntnisse empfiehlt das Forschungsteam, in urbanen Lebensräumen mehr Grünflächen zu schaffen, um die Biomasse an Insekten zu erhöhen. Bestehende Agrarumweltprogramme sollten zur Verbesserung der Biodiversität weiter ausgebaut und Waldlebensräume gefördert werden.
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