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Wie passten sich frühere Gesellschaften an Klimaänderungen an?

Viele harte Winter, lange Dürreperioden und verregnete, kühle Sommer – es war oft recht ungemütlich während der Kleinen Eiszeit, die vom 13. bis ins 19. Jahrhundert herrschte. Die Menschen dieser Zeit mussten sich genauso wie wir heute mit Klimaänderungen auseinandersetzen.

Die Kleine Eiszeit brachte nach der vorher herrschenden mittelalterlichen Warmzeit einige klimatische Veränderungen mit sich. Diese waren zwar weniger ausgeprägt als der Klimawandel, den wir heute erleben, dennoch mussten sich auch die damaligen Gesellschaften damit auseinandersetzen.

Mit Resilienzpfaden an Klimaänderungen anpassen

Was wir daraus lernen können, hat sich ein internationales Forschungsteam angeschaut und ein Rahmenwerk zur Erforschung der Geschichte von Klima und Gesellschaft vorgestellt. Die Forschenden zeigen darin fünf Wege auf, sogenannte Resilienzpfade, mit deren Hilfe sich vormoderne Bevölkerungen an Klimaänderungen angepasst haben.

„Viele Studien beschäftigen sich vor allem mit Desastern und der Frage, warum eine Gesellschaft kollabiert ist“, berichtet Katrin Kleemann vom Lehrstuhl für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte an der Universität Freiburg, die dem Team angehört: „Wir haben uns gefragt, ob die Reaktionen gerade auf klimatische Veränderungen vielleicht vielschichtiger waren, als es manchmal suggeriert wird.“ Auch wenn es nicht immer große Katastrophen waren, veränderte sich das Klima dennoch stark genug, dass es das Leben der Menschen beeinflusste.

Um einen möglichst umfassenden Blick zu bekommen, hat sich ein Team aus unterschiedlichen Disziplinen zusammengetan: Historiker studieren historische Quellen, Naturwissenschaftler steuern das Wissen aus Eiskernbohrungen bei, Statistiker lesen die Zahlen. „So lassen sich beispielweise Ereignisse aus schriftlichen Quellen mit den Funden aus Baumringanalysen bestätigen“, erklärt Kleemann: „Umgekehrt können Angaben der Dendrochronologen mitunter durch Historiker präzisiert werden.“

Warnungen per Glockengeläut oder Kanonenfeuer

Wie also sind vergangene Gesellschaften mit natürlichen und weniger gravierenden Klimaänderungen umgegangen? Und lassen sich daraus womöglich Lehren dafür ziehen, wie wir dem modernen Klimawandel begegnen? Das lässt sich gut am Beispiel der Überflutungen nachvollziehen, die sich Kleemann anschaut: Schon jetzt ist klar, dass die sogenannten Jahrhunderthochwasser aufgrund des Klimawandels in Zukunft öfter auftreten als nur einmal in hundert Jahren. Sich darauf vorzubereiten, wäre also klug, meint sie.

Im 18. Jahrhundert waren Versicherungen noch nicht weit verbreitet. Die Menschen, die damals von Überflutungen betroffen waren, mussten also viel härter arbeiten, um die entstandenen Schäden auszugleichen. Zudem profitieren zeitgenössische Gesellschaften von einem ausgeklügelten Frühwarnsystem und regelmäßiger Messung der Pegelstände. Früher funktionierte das Warnsystem noch per Glockengeläut oder Kanonenfeuer: Den flussabwärts gelegenen Gemeinden wurde auf diese Weise signalisiert, dass Wasser und mitunter auch Eismassen auf sie zukamen.

Am Beispiel der Eisfluten von Köln im Frühjahr 1784 zeigt die Freiburger Historikerin so den Resilienzpfad der politischen und institutionellen Adaption: „Menschen, die kein Obdach mehr hatten, wurden mit einem behördlichen Dekret in Häusern einquartiert.“ Die Müller bekamen Mehl von der Stadt, aus dem sie Brot buken, das der Bevölkerung kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. „Und die lutherische und katholische Kirche sammelte Spenden und verteilte Lebensmittel“, sagt Kleemann.

Der Ausbruch der isländischen Lakispalte bedingte möglicherweise den kalten Winter von 1783 und 1784. Der Ausbruch hatte schon im Juni 1783 begonnen. Über acht Monate wurden etwa 15 Kubikkilometer Lava freigesetzt, viele Gase gelangten in die Strato- und Troposphäre und mit dem Jetstream nach Europa. „Das war als trockener Nebel beobachtbar und teilweise auch zu riechen“, erklärt Kleemann. „Für die Menschen damals muss das sehr beunruhigend gewesen sein, sie haben all die Veränderungen registriert, ohne zu wissen, woher sie kommen.“

Neue Infrastruktur und Regeln als Reaktion

Gänzlich unvorbereitet wurde Europa schon einmal Mitte des 13. Jahrhunderts von einem völlig veränderten Klima getroffen: Der Sommer 1258 war stürmisch, kalt und verregnet, es gab Missernten und Überschwemmungen. Grund dafür war der Ausbruch des Schichtvulkans Samalas im Jahr 1257 auf der indonesischen Insel Lombok. „Damals ausgestoßene Sedimente konnten in Eiskernbohrungen nachgewiesen werden, das passte zu den historischen Aufzeichnungen aus dieser Zeit, die von stürmischen und kalten Wetterlagen berichteten“, so Kleemann.

In Italien konnten hingegen größere Hungernöte und daraus folgend eine hohe Sterblichkeit vermieden werden, weil die Menschen sich anpassten. Sie importierten mehr Getreide und bauten eigens dafür neue Kornspeicher, aus denen das Lebensmittel dann rationiert ausgegeben worden ist. „Hier sehen wir deutlich, wie eine neue Infrastruktur und neue Regeln als Reaktion auf eine Klimaänderung entstanden sind“, erklärt Kleemann.

Gleichzeitig wirkte sich der Ausbruch des Samalas in Asien viel gravierender aus als bei uns, ganze Dörfer in Indonesien wurden ausradiert. Weil die lokalen Auswirkungen so unterschiedlich sein können, behalten die Forschenden immer einen Dreiklang im Blick: die Klimageschichte, regionale Ereignisse und die jeweilige gesellschaftliche Reaktion vor Ort. Mit ihrer Studie und dem neuen Rahmenwerk will das Team andere Forschende dazu anregen, Verbindungen zwischen Klima und Gesellschaft zu untersuchen.

„Das ist ein wachsendes Feld, in dem wir nach und nach neue Erkenntnisse gewinnen und in dem auch viel Potential steckt für neue Studien“, sagt Kleemann: „Denn auch wenn wir heute weitaus bessere technische Möglichkeiten haben als die Menschen vor einigen hundert Jahren, können wir für die Zukunft lernen, wenn wir die Vergangenheit besser verstehen, das heißt vor allem, sie realistischer sehen.“

Foto: Michael Gaida auf Pixabay

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