Mal ehrlich, wir hoffen doch jetzt, dass beim Weltklimagipfel COP26 in Glasgow ab heute mal eben die Welt gerettet wird. Leute, das wird sie nicht! Wir hatten COP1 bis COP25. Bei jeder Konferenz ging es einen Schritt vor, aber danach zwei zurück. Warum soll sich das ändern?
Weil es schon fünf Minuten nach Zwölf ist. Weil uns Deutschen dieses Jahr allein mit den Toten im Tal der Ahr und Erft gezeigt hat, dass uns etwas bedroht. Allgemein als Klimakrise bezeichnet. Erkennbar seit mehreren Jahrzehnten an einem konsequenten Anstieg des CO2-Gehalts in der Atmosphäre. Ganz zu schweigen von Gasen wie Methan, die viel schlimmer auf die Erderwärmung einwirken.
Zurück zu Glasgow. Unter dem Vorsitz Großbritanniens wird dort die 26. Vertragsstaatenkonferenz – eigentlich Conference of the Parties, also COP26 – der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen – United Nations Framework Convention on Climate Change, also UNFCCC – abgehalten. Nachdem die Konferenz pandemiebedingt um ein Jahr verschoben werden musste, sind die Erwartungen hoch, dass sie konkrete Beschlüsse und auch nachgebesserte Klimaschutzziele der Staaten hervorbringt.
Bisher gemachten Zusagen reichen für 1,5 Grad Ziel nicht aus
Zugleich stellt die Durchführung der Klimakonferenz COP26 in Zeiten der Pandemie auch eine organisatorische Herausforderung dar. So muss der gesundheitlichen Sicherheit der rund 25000 Teilnehmenden Sorge getragen werden ohne hierdurch Vertreterinnen und Vertreter einzelner Staaten oder auch zivilgesellschaftliche Akteure von der Teilnahme auszuschließen.
Mit Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens hat sich die internationale Gemeinschaft auf der Konferenz von 2015 zum Ziel gesetzt, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur seit Beginn der Industrialisierung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Sie will die Erwärmung sogar auf unter 1,5 Grad Celsius begrenzen. Allerdings reichen die bisher gemachten Zusagen der Vertragsstaaten, die nationalen festgelegten Beiträge – Nationally Determined Contributions, also NDCs – nicht aus, um die 1,5-Grad-Obergrenze einzuhalten.
Einige Staaten haben vor der COP26 schon neue oder überarbeitete Beiträge vorgelegt. Es bleibt abzuwarten, ob weitere nachgebesserte NDCs während der Klimakonferenz eingereicht werden. Neben nachgebesserten NDCs sollten jene Länder, die dies noch nicht getan haben, ihre Langfriststrategien für eine emissionsarme Entwicklung vorlegen. Von den Industriestaaten werden zudem weitergehende Zusagen für die Bereitstellung von Finanzmitteln erwartet, auf die vor allem die ärmsten Länder bei der Verstärkung ihrer Klimaschutzanstrengungen angewiesen sind.
COP26 in Glasgow soll detailliertes Regelwerk zum Pariser Abkommen vervollständigen
„Von der COP26 Glasgow muss ein klares Signal für eine Steigerung der Ambitionen ausgehen und die Dekade der Umsetzung eingeleitet werden“, forderte zum Beispiel Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts: „Die Staaten müssen jetzt ihre Klimaschutzziele in Einklang mit der 1,5-Grad-Obergrenze bringen und die bestehende Ambitionslücke bis 2030 schließen.“ Zugleich müsse die Umsetzung der bereits beschlossenen Minderungspläne beschleunigt werden. „Nur so bleibt die Einhaltung der 1,5-Grad-Obergrenze noch in Reichweite“, sagt Fischedick.
Ein Schwerpunkt der COP26-Verhandlungen in Glasgow wird sein, das detaillierte Regelwerk zum Pariser Abkommen zu vervollständigen. Regeln zu den meisten Aspekten des Abkommens konnten bereits auf der Klimakonferenz im polnischen Katowice im Jahr 2018 verabschiedet werden. Offen geblieben ist allerdings die Ausgestaltung der Kooperationsmechanismen unter Artikel 6 des Abkommens. Diese Mechanismen sollen es den Staaten erlauben, bei der Umsetzung ihrer Beiträge zusammenzuarbeiten und Emissionsminderungen zu transferieren.
Auch ein einheitlicher Zeitrahmen für die nationalen Klimaschutzbeiträge und Details, wie die Staaten, über deren Umsetzung innerhalb des neuen Transparenzrahmens berichten sollen, müssen auf der COP26 noch vereinbart werden. Auf der letzten Klimakonferenz in Madrid im Jahr 2019 gelang es den Vertragsstaaten nicht, hier klare Regeln zu verabschieden. Da diese Vorgaben für die vollständige Umsetzung des Abkommens jedoch von großer Bedeutung sind, wird das Schließen dieser Lücken im Mittelpunkt der Verhandlungen der COP26 Glasgow stehen.
Zurück zum eigentlichen Verursachenden des Klimawandels: Nicht das Kohlendioxid ist der Grund für das Dilemma, sondern der Mensch, spätestens mit Beginn der Industrialisierung. Wer die Zeilen zuvor gelesen hat, sieht sofort, dass es in Glasgow um uns Menschen selber offenbar gar nicht geht. Dort wird nur darum gerungen, wie Lücken geschlossen werden, um das 1,5 Grad-Ziel noch erreichen zu können.
Neo-Ökologische Sinus-Milieu ist Treiber der globalen Transformation
Wie jeder einzelne Mensch seinen CO2-Rucksack reduziert oder gar fast ganz ablegt, darüber wird dort nicht gesprochen. Das geschieht dann zu Hause. Das müssen die Politikmachenden in ihren Ländern erreichen. Sie müssen Menschen überzeugen, dass sie mit ihrem alltäglichen Leben weniger Treibhausgase produzieren. Die einen sagen dann: Mit technischen Innovationen schaffen wir es, CO2 einzusparen. Solche Politiker haben viele Freunde, weil sie uns nicht sagen: Lass Dein Auto stehen! Und weil sie versprechen können, dass Innovationen Arbeitsplätze schaffen.
Politik hingegen, die mit Verboten wirkliche Einsparungen von Treibhausgasen erreichen will, die hat wenige Freunde. Und damit ist unser großes Menschheitsproblem beschrieben. Wir Menschen sind zu neunzig Prozent so geschaffen, dass wir von anderen Lösungen erwarten, die uns beruhigen und weiter machen lassen. Das ist der fatale „Zuschauereffekt“. Damit meinen Psychologen das Gefühl, dass schon jemand anderes die Gefahr an meiner Stelle abwenden wird.
Wenn wir den nicht aktiv überwinden, wird das nichts! Denn die, die bereit sind, etwas wirklich zu ändern, die machen unter zehn Prozent aus. Nach den so genannten Sinus-Milieus sind das Menschen aus dem „Neo-Ökologischen Milieu“. Sie sind die Treiber der globalen Transformation. Sie stehen für Optimismus und Aufbruchsmentalität bei gleichzeitig ausgeprägtem Problembewusstsein für die planetaren Herausforderungen. Sie sind offen für neue Wertesynthesen wie Disruption und Pragmatismus, Erfolg und Nachhaltigkeit, Party und Protest. In ihrem Selbstbild sehen sie sich als progressive Realisten und leben einen umwelt- und klimasensiblen Lebensstil.
Es müsste mehr von ihnen geben!
Abbildung: Sinus