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Sich umarmen in Zeiten von Corona

Wenn sich Menschen umarmen, ist das immer etwas Schönes. Nun hat Corona die Welt umarmt, und es ist gefährlich, anderen Menschen so nahe zu kommen. Aber wann dürfen wir uns wieder umarmen, wann wird das Kontaktverbot in Deutschland aufgehoben? Auf diese Fragen gibt es zurzeit keine Antworten, das ist eben so! Doch was bedeutet eine Umarmung für Menschen? Wie läuft sie ab? Was löst sie in Psyche und Körper aus? Damit haben sich Wissenschaftler schon immer gern und intensiv beschäftigt.

Umarmungen begleiten menschliche soziale Interaktionen von Geburt an. Sie drücken Zuneigung und Liebe aus, und treten sowohl in positiven wie auch in negativen oder neutralen Zusammenhängen auf. „Wir umarmen uns auch bei Trauer oder Angst oder einfach zur Begrüßung“, stellt Julian Packheiser fest. Er ist Biopsychologe an der Ruhr-Universität Bochum, wo man sich – aufgepasst – mit der Richtung des Umarmens befasst.

Die Forscher haben festgestellt, dass die meisten Menschen eine Vorliebe für rechtsseitige Umarmungen haben. Es zeigte sich aber, dass sowohl in positiven wie auch in negativen Situationen häufiger linksseitig umarmt wird als in neutralen Situationen. „Das ist auf den Einfluss der rechten Gehirnhälfte zurückzuführen, die die linke Körperhälfte kontrolliert und sowohl positive als auch negative Emotionen verarbeitet“, so Packheiser: „Bei Umarmungen interagieren emotionale und motorische Netzwerke im Gehirn und führen zu einer stärkeren Linksorientierung in gefühlsbetonten Zusammenhängen.“

„Dass soziale Unterstützung gegen die krankmachenden Effekte von Stress schützt, ist einer der am häufigsten bestätigten Effekte der Gesundheitspsychologie“, berichtet Martin Tomasik vom Institut für Bildungsevaluation der Universität Zürich. Er berichtet von einer Studie des amerikanischen Psychologen Sheldon Cohen, der verstehen will, warum das so ist. Cohen stellte die Hypothese auf, dass Menschen sich ihre Unterstützung durch den Ausdruck körperlicher Nähe wie etwa durch Umarmung und Handhalten signalisieren.

Umarmen wirkt sich positiv auf Immunsystem aus

Er beobachtete in einer Studie: Je mehr Konflikte erlebt wurden, desto grösser war das Risiko einer Infektion. Dies galt jedoch nur für Teilnehmer, die keine oder wenige Umarmungen erhalten hatten. Bei solchen mit vielen Umarmungen war der Zusammenhang sogar umgekehrt. Mehr Konflikte führten zu einer leichten Abnahme des Infektionsrisikos und das auch, wenn der allgemeine Gesundheitszustand, das vorherige Vorhandensein von Antikörpern und andere psychologische Faktoren in der Statistik berücksichtigt wurden.

Hinzu kam, dass nicht nur das Infektionsrisiko sank, sondern die Infektion auch weniger schwerwiegend war, je häufiger man in den Arm genommen wurde. Interessant zudem, dass es keine Rolle für das Infektionsrisiko spielte, ob die menschliche Nähe an den Konflikttagen empfangen wurde oder nicht. Anzunehmen ist also, schlussfolgert Tomasik, dass nicht die Versöhnung am gleichen Tag den gesundheitsfördernden Effekt hatte, sondern die Wahrnehmung sozialer Unterstützung ganz allgemein. Die Autoren der Studie schlussfolgern zudem, dass Umarmungen ein Indikator für soziale Unterstützung ist, die sich wiederum positiv auf unser Immunsystem auswirkt.

Der Neurowissenschaftler David J. Linden sagt, Hautkontakt ist für den Menschen lebenswichtig. Ein sanftes Streicheln beruhige und könne Schmerzen lindern: „Kaum etwas tröstet so sehr wie eine Umarmung.“ Dabei schütte der Körper das Hormon Oxytocin aus, das gegen Stress wirkt. Dadurch sinkt der Blutdruck und das Stresshormon Cortisol tritt in den Hintergrund.

In den Arm nehmen sagt mehr

Nach einer Studie des Psychologen Matthew Hertenstein können Menschen durch körperlichen Kontakt die Effizienz der übermittelten Emotionen um bis zu 78 Prozent steigern. Denn andere Menschen zu berühren, betont nicht nur die übermittelte Botschaft. So können wir auch Gefühle präziser und intensiver zum Ausdruck bringen. Sprich: Jemanden zu umarmen sagt mehr, als die Worte „Ich bin für dich da“.

Interessante Einblicke in einer Zeit, in der Menschen ein starkes Immunsystem brauchen. Den Widerspruch zwischen Verbot und Vorteil des Umarmens müssen wir aber nun für längere Zeit aushalten. Mit den Worten von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: „Halten wir heute voneinander Abstand – damit wir uns morgen wieder umarmen können.“

Foto: RUB, Marquard

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