Wissenschaft erklärt im Interview mit Dirk Reith von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Dort ist er seit dem 1. September 2012 Professor am Fachbereich Elektrotechnik, Maschinenbau und Technikjournalismus und leitet als Ko-Direktor das Institut für Technik, Ressourcenschonung und Energieeffizienz (TREE). Im Interview sagt er, Autos mit Elektroantrieb für den Stadtverkehr müssten kleiner und leichter werden. Und Künstliche Intelligenz werde uns bei der Mobilitätswende helfen.
Herr Reith, wenn ich mich im Umfeld der Hochschule umschaue, sehe ich E-Auto-Ladestation, Carsharing-Stellplätze, Leihfahrräder und Elektro-Roller. Haben wir alles für die Verkehrswende?
Nicht jeder hat unterschiedliche Mobilitätsangebote vor der Haustür, die dem individuellen Bedarf gerecht werden und außerdem nachhaltig sind. Wir brauchen sicherlich noch mehr und andere technische Lösungen für den Individualverkehr, die in einem umfassenden Sinn zukunftsträchtig sind. Das heißt, wir brauchen Lösungen für den Stadtverkehr und die Langstrecke. Aus technischer Sicht sind die Anforderungen jeweils andere, so dass die Produkte unterschiedlich beschaffen sein müssen. Jedenfalls dann, wenn man den Gedanken der Nachhaltigkeit ernst nimmt. Die Fahrzeuge für den Nahbereich etwa werden kleiner und leichter sein müssen.
Was spricht denn gegen ein großes, komfortables Auto, solange es Elektroantrieb hat?
Ein Auto mit Elektroantrieb ist nicht per se umweltfreundlich. Es kommt sehr darauf an, was für Komponenten verbaut sind, welche Materialien verwendet wurden, und was es wiegt. Ökobilanz ist hier das Stichwort. Und es kommt darauf an, wie es eingesetzt wird. Wirklich ressourcenschonend werden wir nur unterwegs sein, wenn das Auto für den Stadtverkehr von Grund auf dafür konzipiert wurde. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Batterien und das Auto mit Elektroantrieb insgesamt nur so groß sind wie unbedingt erforderlich. Und, ja, wenn wir uns effizient individuell mit einem Auto fortbewegen wollen, dann werden wir Komforteinbußen hinnehmen müssen. Das dicke bullige und schwere SUV jedenfalls, auch mit Elektroantrieb, werden wir uns als Gesellschaft auf Dauer nicht leisten können.
Die Bedenken, mit der kleinen Batterie nicht weit genug zu kommen, lassen mich als Autokäufer aber vielleicht doch zu dem großen Modell greifen?
Hier bietet die datengetriebene Mobilität einen sehr interessanten Ansatz. Künstliche Intelligenz kann uns bei der Optimierung der Streckenplanung sehr helfen. Wenn der Computer den Anfangs- und den Endpunkt des Weges und das Fahrzeugmodell mit Elektroantrieb mit seinen Eigenschaften kennt, kann er mich optimal zu meinem Ziel führen. Er kann sogar den Ladezustand meiner Batterie berücksichtigen und mich guten Gewissens mit 50 Prozent Kapazität losschicken. Die Technik gibt es, sie ist marktreif. Auch hier gilt jedoch: Etwas mehr Planung ist nötig, und damit verliert man eben etwas Freiheit.
Die Ladedauer sehen manche ohnehin als Problem, schließlich dauert das Auftanken deutlich länger als bei Diesel oder Benzin.
Das Batteriemanagement ist ein großes Thema, zunehmend auch bei uns in der Forschung an der Hochschule. Sehr spannend ist die Kopplung der Batterien von Elektroautos mit den Speichern der Stromversorgung der Häuser und damit mit dem Stromnetz. Wenn etwa der Speicher des Hauses voll ist, kann der Strom in den Fahrzeugen quasi zwischengelagert werden. Für die Haustechnik hätte das den Vorteil, dass in Zukunft die Hausspeichermengen passgenau flexibilisiert werden können. Zudem nutzt man stets die neueste Batterietechnologie der Fahrzeuge, was aus Effizienzgründen auch genutzt werden könnte. Und volkswirtschaftlich wäre es auch von Nutzen.
Foto: Bernadett Yehdou/Hochschule Bonn-Rhein-Sieg