Aus ökonomischer Perspektive sind Investitionen in den Klimaschutz wenig attraktiv, denn sie bringen Freifahreranreize mit sich: Wenn jemand investiert, profitieren auch andere, ohne Kosten tragen zu müssen.
So sieht das Bodo Sturm, Professor an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig. Mit einer deutsch-chinesischen Forschungsgruppe hat er gezeigt, dass die Verbesserung der Luftqualität in Chinas Städten eine zusätzliche Motivation für klimaschonende Maßnahmen darstellt.
China produziert weltweit am meisten Kohlendioxid, das zur Klimaerwärmung beiträgt. Doch mittlerweile investiert die Volksrepublik in die Reduktion ihres CO2-Ausstoßes. „Dahinter steckt vermutlich mehr als der reine Wunsch nach Klimaschutz“, meint Bodo Sturm. Denn mit einem Rückgang der CO2-Emissionen geht auch eine Verbesserung der Luftqualität auf lokaler Ebene einher.
Sieben Provinzen führen regionalen Zertifikathandel für CO2-Emissionen ein
Der Volkswirtschaftler zeigt in einer gemeinsamen Studie mit Partnern an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, der Universität Regensburg und der Universität für Außenwirtschaft und Handel Peking, dass der lokale Zusatznutzen von Klimaschutz die individuellen Entscheidungen von Einwohnerinnen und Einwohnern Pekings beeinflusst.
Die Luftverschmutzung durch Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Feinstaub stellt ein erhebliches Gesundheitsrisiko in chinesischen Metropolen dar. Nach einer Schätzung des Health Effects Institute verursachte die Luftverschmutzung 2013 in China rund 366000 vorzeitige Todesfälle. Im selben Jahr führte das Land in sieben Provinzen einen regionalen Zertifikathandel für CO2-Emissionen ein. 2021 wurde der Handel auf die gesamte Volksrepublik ausgeweitet.
Das Prinzip: Es gibt eine vorgegebene Menge an CO2-Zertifikaten. Für jede verursachte Tonne CO2 müssen Energie- und Industrieunternehmen ein Zertifikat einlösen. Die Menge der verfügbaren Zertifikate wird stetig knapper. Damit steigt ihr Preis und somit der Anreiz, weniger Kohlendioxid zu verursachen.
Geringe Attraktivität der Investitionen in Klimaschutz
Doch Bodo Sturm verweist auf die geringe Attraktivität der Investitionen in Klimaschutz, da sie Freifahreranreize mit sich bringen. „Wenn jemand investiert, profitieren auch alle anderen, ohne Kosten tragen zu müssen, deshalb möchte niemand den ersten Schritt machen“, erklärt er.
Dass China trotzdem mit seinem Zertifikathandel und anderen Maßnahmen wie Investitionen in E-Mobilität Beiträge zum Klimaschutz leistet, liegt nach Ergebnissen des Umweltökonomen auch an den positiven Auswirkungen des Klimaschutzes auf lokaler Ebene. Ökonomen bezeichnen solche Effekte als „Co-Benefits“, also Zusatznutzen des Klimaschutzes.
Für ihre Untersuchung führten Bodo Sturm und vier Kollegen sowie eine Kollegin aus Deutschland und China ein Experiment mit 317 zufällig ausgewählten Einwohnerinnen und Einwohnern Pekings durch. Diese konnten zum Schutz des Klimas beitragen, indem sie von ihrem eigenen Geld entweder CO2-Zertifikate für Peking oder für Shenzhen kauften, eine Metropole rund 2000 Kilometer südlich der Hauptstadt. Für die Studienteilnahme gab es eine Aufwandsentschädigung. Insgesamt wurden für rund 150 Euro Zertifikate für 60 Tonnen Kohlendioxid gekauft. Da diese anschließend vernichtet wurden, können sie seitdem nicht mehr für Emissionen verwendet werden.
Positive Nebeneffekte sind lokal
„Für den Klimaschutz spielt es keine Rolle, wo CO2 vermieden wird, es handelt sich um ein globales Problem“, bilanziert Volkswirtschaftler Sturm. Doch die positiven Nebeneffekte seien lokal: „Wird etwa weniger Kohle verbrannt, dann sinken nicht nur die CO2-Emissionen, sondern auch die Emissionen lokaler Schadstoffe wie Schwefeldioxid und Feinstaub“, erläutert Bodo Sturm.
Im Experiment war die Nachfrage nach Emissionsrechten für Peking deutlich größer als für Shenzhen. Daraus folgern die Forschenden: Für die Menschen in Peking hat nicht der globale Schutz des Klimas Priorität, sondern vor allem der damit verbundene, lokale Zusatznutzen wie saubere Luft.
Für die internationale Klimapolitik bedeute dies, dass die Zusatznutzen des Klimaschutzes wie saubere Luft, aber auch Beschäftigungswirkungen oder Energiesicherheit stärker im Zentrum der Überlegungen stehen müssten. Dies gelte vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern, in denen fossile Energieträger mit relativ „schmutzigen“ Technologien genutzt werden. Hier steigen die Anreize für Investitionen in den Schutz des Klimas durch die Berücksichtigung von Co-Benefits deutlich.
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