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Scheuen Menschen die Kosten für Klimaschutz?

Klimaschutz ist für Menschen oft mit Anstrengung verbunden, etwa ein Fahrrad statt des Autos auf dem Weg zur Arbeit zu nutzen. Doch dem Anstrengungsparadoxon nach schrecken uns diese „Kosten“ nicht. Was steckt dahinter?

Die meisten psychologischen, neurowissenschaftlichen und ökonomischen Modelle für menschliche Entscheidungen erklären diese so, dass die mit einer Handlung verbundenen körperlichen und geistigen Kosten in die Handlungsentscheidung einfließen. Weil der Mensch sich aber nun mal nicht gern anstrengt, vermeidet er eigentlich schwierige Aktionen.

„Diese Annahme aber steht im starken Widerspruch zur Alltagsbeobachtung, dass Menschen freiwillig anstrengenden Tätigkeiten nachgehen, wie etwa ein kompliziertes Rätsel zu lösen oder einen Berg zu erklimmen, obwohl sie stattdessen auch einen Film anschauen oder mit der Gondel auf den Berg fahren könnten“, erklärt Professorin Gesine Dreisbach vom Lehrstuhl für Allgemeine und Angewandte Psychologie der Universität Regensburg.

Für manche ist eine auf den ersten Blick anstrengende Aufgabe gar nicht so anstrengend

Für dieses so genannte Anstrengungsparadoxon werden demnach verschiedene Erklärungen diskutiert. So wird angenommen, dass die Anstrengung den Wert des Produkts der Anstrengung steigert oder aber, dass die Anstrengung selbst als belohnend empfunden wird.

Die Psychologin Gesine Dreisbach hat nun eine weitere Hypothese untersucht. Danach könnte dieses scheinbare Paradoxon auch dadurch aufgeklärt werden, dass für manche Menschen eine auf den ersten Blick anstrengende Aufgabe gar nicht so anstrengend ist – aufgrund der niedrigeren objektiven Kosten. Oder aber, dass ihnen die Anstrengung subjektiv weniger ausmacht, also niedrige subjektive Kosten. „So vermag etwa der Rätselfreund auch die schweren Rätsel mit Leichtigkeit lösen und die Bergsteigerin auf Berge steigen, weil ihr die Anstrengung nichts ausmacht“, nennt die Expertin Beispiele.

Um diese Annahmen zu überprüfen, wurden an ihrem Lehrstuhl in zwei Experimenten je hundert Versuchspersonen in fortlaufenden Durchgängen vor die Wahl zwischen einer leichten und einer schwierigen Aufgabe gestellt. Diese freiwilligen Wahlen wechselten sich zufällig mit vorgegebenen Aufgaben ab. Das sollte sicherstellen, dass alle Versuchspersonen eine gewisse Übung mit beiden Aufgaben haben. Die Reaktionszeitdifferenz zwischen der leichten und schweren Aufgabe aus den vorgegebenen Aufgaben wurde als individuelles Maß für die objektiven Verhaltenskosten verwendet.

Objektive Verhaltenskosten sagen freiwilligen Wechsel zu schwerer Aufgabe vorher

Zum Abschluss des Experiments wurden die Versuchspersonen dann mehrfach vor die Wahl gestellt, ob sie einen weiteren Aufgabenblock mit ausschließlich schweren Aufgaben gegen eine Bezahlung von zwei Euro oder aber einen leichten Aufgabenblock für einen Euro durchführen möchten. Bei Entscheidung für den schweren Block wurde das Angebt für den leichten Block um fünfzig Cent erhöht, bei Entscheidung für den leichten Block um den gleichen Betrag herabgesetzt.

Diese Entscheidung wurde mehrmals wiederholt, wobei die Angebote für den leichten Block um 25 Cent, 13 Cent, sechs Cent und schließlich drei Cent nach oben oder unten angepasst wurden – solange, bis ein individueller Indifferenzpunkt erreicht war. Die Differenz aus dem Gebot für den leichten Block und den zwei Euro für den schweren Block wurde als individuelles Maß für die subjektiven Anstrengungskosten berechnet. Denn das ist laut Gesine Dreisbach der Geldbetrag, auf den eine Versuchsperson bereit ist zu verzichten, um die schwere Aufgabe zu vermeiden.

Aufgrund der beiden Experimente geht die Psychologin davon aus, dass die objektiven Verhaltenskosten den freiwilligen Wechsel zur schweren Aufgabe maßgeblich vorhersagten: Je geringer die Kosten, desto höher die Wechselrate zur schweren Aufgabe. Wohingegen die subjektiven Kosten nur im zweiten Experiment einen kleinen Anteil der Varianz aufklärten.

Individuelles Opfer für Klimaschutz höher gewertet 

Lässt sich das Beobachtete auf die Beurteilung von klimafreundlichem Verhalten übertragen? „Wer gerne wandert und Rad fährt und Flugangst hat, wird sich in seiner Freizeit wahrscheinlich klimafreundlicher verhalten als jemand, der Spaß an schnellen Autos und Fernreisen hat“, sagt die Psychologin gegenüber wissenblog.de: „Für letzteren wäre der Verzicht auf Auto und Flug mit höheren ideellen Kosten verbunden als für ersteren.“

Gesine Dreisbach stellt aber auch fest, dass in der öffentlichen Debatte über Klimaschutz mitunter der Eindruck entstünde, dass das individuelle Opfer, also die Anstrengung, die es jemand kostet, sich klimafreundlich zu verhalten, höher gewertet würde. „Das lässt sich aber, wie mein Beispiel zeigt, aus beobachtetem Verhalten gar nicht unmittelbar ableiten“, betont sie. Die Grundlagenforscherin schränkt jedoch ein, dass es von ihren „Erkenntnissen noch einen weiteren empirischen Schritt bräuchte, nämlich die Überprüfung dieser Annahmen im weniger kontrollierbaren Alltag“.

Foto: Maryam62 auf Pixabay

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