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Wieviel Klimawandel erleben wir in unserer Region?

Knapp eine Woche vor der verheerenden Starkregenflut, die das Wettertief „Bernd“ über großen Teilen Deutschlands ausgelöst und damit die Klimawandel-Debatte neu belebt hat, veröffentlichte das Climate Service Center Germany (GERICS) in Hamburg „Klimaausblicke“ für Regionen und Landkreise Deutschlands. Damit stellt es mögliche Klimaänderungen für die kommenden Jahrzehnte anhand von 17 Kennwerten bereit. Die Ergebnisse sollen zeigen, wo sich der Klimawandel in Deutschland am stärksten bemerkbar machen könnte.

Die globale Erderwärmung schreitet voran. Ein Großteil von Politik und Wissenschaft ist sich hier mittlerweile einig. Denn längst ist die 1-Grad-Marke der Erderwärmung überschritten. Die Folgen sind auch in Deutschland spürbar, wie die jüngste Wasserflut nach mehrtägigen Regenfällen zeigt. Die Zahl der Hitzetage nimmt zu, Extremwetterereignisse werden häufiger.

Drei verschiedene Szenarien des Klimawandels

Doch wie geht die Entwicklung bis zum Ende des Jahrhunderts weiter? Hier will das GERICS helfen und mit Klimaausblicken klimatische Änderungen in regionaler Größenordnung darstellen. Jeder der 401 Ausblicke ist auf Landkreis-, Kreis-, Regionalkreis-Ebene oder auf Ebene der kreisfreien Städte gebündelt und fasst die Ergebnisse für 17 Klimakenngrößen wie Temperatur, Hitzetage, Trockentage, Windgeschwindigkeit oder Starkregentage auf mehreren Seiten zusammen.

Die Ergebnisse sollen die projizierten Entwicklungen der Klimakenngrößen im Verlauf des 21. Jahrhunderts zeigen: Für ein Szenario mit viel Klimaschutz, ein Szenario mit mäßigem Klimaschutz und ein Szenario ohne wirksamen Klimaschutz. „Die Daten zeigen, wie sich das Klima in den einzelnen deutschen Regionen verändern kann“, sagt Diana Rechid, die zusammen mit Susanne Pfeifer und Sebastian Bathiany Autorin der Berichte ist. Sie wollen Bürgerinnen und Bürgern, aber auch Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik eine Faktenbasis für langfristige Entscheidungen geben – etwa für städtische Energieversorger oder bei der Anpassung von Infrastrukturen.

Mit Downskaling Ergebnisse statistischer Modelle runterrechnen

Auch das Umweltbundesamt geht der Frage nach, ob es regionale Klimamodelle für Deutschland gibt. Für eine Regionalisierung globaler Klimamodelle verweist es auf zwei verschiedene Methoden: dynamische und statistische Verfahren. Sie umfassen demnach auch sogenannte Downskalingansätze, mit denen zum Beispiel Ergebnisse von statistischen Modellen noch weiter heruntergerechnet werden können. Ein Beispiel für dynamische Modelle sei REMO und für statistische Modelle WETTREG.

GERICS hat unterdessen für jedes seiner 401 untersuchten Gebiete einen eigenen Klimaausblick vorgelegt. So zeigt sich etwa für den Landkreis Nordfriesland, dass bei einem weiterhin hohen Ausstoß von Emissionen bis zum Ende des Jahrhunderts verschiedene Klima- und Wetterphänomene zunehmen können. „Das gilt für schwüle Temperaturen, tropische Nächte, anhaltende Hitzeperioden und auch für Starkregen“, berichtet das Wissenschaftsteam. In den Gebirgsregionen der Alpen oder des Schwarzwalds sei unter solchen Bedingungen eine besonders starke Erwärmung zu erwarten.

Hilfe bei Erwerb von Eigentum

„Die Daten erlauben eine Abschätzung verschiedener Zukunftsszenarien auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand, die Anpassung an den Klimawandel vor Ort hat damit eine exaktere Grundlage“, erklärt Sebastian Bathiany: „Auch mit viel Klimaschutz müssen wir uns auf Veränderungen einstellen.“ Gerade deshalb seien Klimaprojektionen für die Zukunft so wichtig.

„Es gibt nach unseren Untersuchungen nicht einen einzigen Landkreis, bei dem alles beim Alten bliebe, falls sich die Emissionen weiterhin auf gleichem Level bewegen oder sogar noch steigen würden“, sagt Diana Rechid. Deshalb stelle sich die Frage, was durch wirksamen Klimaschutz vermieden werden könne und auf welche Veränderungen sich die Menschen auf alle Fälle vorbereiten müssten.

Mit den Klimaausblicken will GERICS Experten, Politik und Behörden dafür eine Informationsquelle geben. Auch alle Bürger und Bürgerinnen könnten die Ergebnisse für ihren Heimatort mit denen anderer Landkreise vergleichen – sei es wegen eines geplanten Wohnortswechsels, der Entscheidung, Eigentum zu erwerben, oder um sich generell gegen den Klimawandel zu wappnen.

Die Menschen fühlen sich zunehmend bedroht

Der Bedarf könnte steigen, denn die Menschen fühlen sich zunehmend bedroht. Während im vergangenen Jahr die Corona-Pandemie das drängende Problem war, hat das Thema Klimawandel wieder an Brisanz gewonnen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage unter 508 Hamburger Bürgerinnen und Bürgern, die erneut im Auftrag des Hereon-Instituts für Küstensysteme telefonisch nach ihrer Wahrnehmung des Klimawandels befragt wurden.

„Die Antworten zeigen, dass die Menschen den Klimawandel inzwischen als ein echtes Risiko für ihr eigenes Leben wahrnehmen“, berichten die Autorinnen der Studie, Beate Ratter und Lea Stumbitz. Der Anteil der Befragten, die die Bedrohung als sehr groß oder groß wahrnehmen, stieg demnach in diesem Jahr auf 73 Prozent, ein neuer Höchstwert. Zum Vergleich: In den USA etwa stagnieren die Zahlen bei vergleichbaren Studien seit Jahren bei rund 60 Prozent.

Sturmfluten und Überschwemmungen werden von Hamburgs Bevölkerung nach wie vor als Naturkatastrophen mit den potenziell schwersten Folgen wahrgenommen. Die vergangenen heißen und trockenen Jahre werden vermehrt als besorgniserregend empfunden. Im ersten Jahr der Befragung 2008 waren es nur vier Prozent der Befragten, die Hitzewellen als am bedrohlichsten ansahen. In diesem Jahr erreicht der Anteil schon den vierfachen Wert.

Deutlich wurde auch: Die Menschen sind bereit, gegen den Klimawandel selbst vorzugehen. Als Hilfsmittel nannten die Befragten etwa die Installation von Warn- und Wetter-Apps (56 Prozent). Wobei der Anteil derer, die bereits Maßnahmen ergriffen haben oder dies planen, besonders in der Altersgruppe 60 plus zunahm. Vorräte anzulegen verzeichnet in dieser Altersgruppe den größten Zuwachs von 22 auf 51 Prozent.

Aber auch eine zunehmende Zahl Befragter aus den Altersgruppen der 45- bis 59-Jährigen und der 30-bis 44-Jährigen gibt an, sich für den Notfall Vorräte anlegen zu wollen oder dies schon zu tun. „Viele Menschen denken beim Neubau eines Hauses jetzt auch an die bessere Dämmung, und städteplanerisch wird an mehr Grünflächen und eine bessere Belüftung in den Straßen gedacht“, sagt Ratter.

Datensatz des Deutschen Wetterdienstes

Die Klimaausblicke des GERICS basieren nach dessen Angaben auf Beobachtungsdaten aus dem HYRAS-Datensatz des Deutschen Wetterdienstes und Zukunftsprojektionen regionaler Klimamodelle. Die insgesamt 85 Simulationen mit einer Auflösung von 12,5 Kilometern erstellten verschiedene europäische Forschungsinstitutionen, indem die Ergebnisse globaler Klimamodelle mit unterschiedlichen regionalen Klimamodellen verfeinert wurden.

Das Helmholtz-Zentrum Hereon ist an der Helmholtz-Klima-Initiative beteiligt, in der Helmholtz-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Klimawandel systemisch erforschen. Insgesamt 15 Helmholtz-Zentren bringen hier in 13 Forschungsprojekten ihre Klima-Expertise zusammen.

Das GERICS leitet den Cluster Netto-Null – Pfade zur Klimaneutralität 2050. Es wurde im Jahr 2009 von der Bundesregierung im Rahmen der „Hightech-Strategie zum Klimaschutz“ ins Leben gerufen und am Helmholtz-Zentrum Geesthacht – Zentrum für Material- und Küstenforschung GmbH eingerichtet. Seit Juni 2014 ist GERICS eine selbstständige wissenschaftliche Organisationseinheit des Helmholtz-Zentrums, das seit April 2021 unter dem Namen Helmholtz-Zentrum hereon GmbH firmiert.

Foto: Kanenori auf Pixabay

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